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Politik: "Ich habe Menschen in die Irre geführt"

WASHINGTON.In einer beispiellosen Selbstbezichtigung hat Bill Clinton eingeräumt, mit der damals 21jährigen Praktikantin Monica Lewinsky vom November 1995 an eine sexuelle Affäre gehabt und das amerikanische Volk darüber belogen zu haben.

WASHINGTON.In einer beispiellosen Selbstbezichtigung hat Bill Clinton eingeräumt, mit der damals 21jährigen Praktikantin Monica Lewinsky vom November 1995 an eine sexuelle Affäre gehabt und das amerikanische Volk darüber belogen zu haben."Ich habe Menschen, einschließlich sogar meiner eigenen Frau, in die Irre geführt.Das tut mir sehr leid", sagte Clinton.Er mußte am Montag als erster US-Präsident in gegen ihn gerichteten Untersuchungen aussagen.Sonderermittler Starr wirft Clinton vor, die Affäre durch Meineid, Anstiftung zum Meineid und die Behinderung von Justizermittlungen vertuscht zu haben.

Im Anschluß an die knapp fünfeinhalbstündige Vernehmung Clintons im Weißen Haus wandte sich der Präsident am späten Abend in einer vierminütigen Fernseh-Rede ans Volk."Ich muß die volle und alleinige Verantwortung akzeptieren", sagte Clinton.Die Hälfte seiner Ansprache verwandte er darauf, Starrs Untersuchung zu diskreditieren."Dies dauert schon zu lange an, kostet zu viel und hat zu viele Unschuldige verletzt." Er habe "ernste Bedenken" gegen diese Untersuchung.Der Paula-Jones-Prozeß sei "ein politisch inspiriertes Verfahren".Das "Ziel der persönlichen Vernichtung und das Herfallen über das Privatleben" müßten aufhören.Seine höchste Priorität sei nun, "für meine Familie mein Familienleben wiederherzustellen.Selbst Präsidenten haben ein Privatleben." Clinton forderte Amerika auf, "das Spektakel der letzten sieben Monate hinter sich zu lassen".

Die Reaktionen von Anhängern Clintons waren verhalten.Vizepräsident Gore begrüßte die Erklärung Clintons.Etliche Demokraten bezeichneten sie als überfällig.Ranghohe Mitarbeiter des Präsidenten zeigten sich tief enttäuscht, weil sie monatelang zur Verteidigung von Falschaussagen benutzt wurden.Clintons ehemaliger Stabschef Leon Panetta sagte, der Lewinsky-Skandal habe Amerika "sieben Monate Hölle, die alle beschädigt hat", beschert.

Der republikanische Vorsitzende des Senats-Justizausschusses Orrin Hatch nannte Clintons Angriffe auf Starr "eine absolute Beleidigung".Sein Parteifreund und Senatskollege Arlen Specter meinte: "Wir können das nicht verbatim akzeptieren." John Ashcroft, republikanischer Senator aus Missouri, sagte: "Wir haben den Anfang vom Ende der Clinton-Präsidentschaft gesehen." Der ehemalige erzkonservative Präsidentschaftskandidat Pat Buchanan meinte, Clintons Teilgeständnis sei erst "das Ende des Anfangs" des Skandals.

Clinton räumte keinen Meineid im Jones-Verfahren ein, in dem er in seiner eidesstattlichen Aussage vom 17.Januar erklärt hatte, weder ein Verhältnis noch eine sexuelle Beziehung zu Lewinsky gehabt zu haben.Seine damaligen Äußerungen bezeichnete Clinton als "rechtlich zutreffend".Sein Verhältnis mit Lewinsky charakterisierte er als "ungebührlich, tatsächlich falsch".Clinton beharrte indes darauf, niemanden zum Meineid angestiftet zu haben.Mehrere Fragen Starrs beantwortete Clinton in seiner Anhörung nicht.Starr kündigte daraufhin an, Clinton eventuell erneut befragen zu wollen.Clintons Anwalt David Kendall erklärte, hierzu werde es voraussichtlich nicht kommen.Während Clinton am Dienstag mit seiner Familie in Urlaub fuhr, dauerte vor der Grand Jury die Vernehmung weiterer Zeugen an.Der Druck auf Starr erhöhte sich, nun bald seinen Abschlußbericht dem Kongreß vorzulegen, der über eine Amtsenthebung zu befinden hat.Mitarbeiter des Präsidenten ließen erkennen, daß Hillary Clinton an der Formulierung der Rede und an der Festlegung auf eine aggressive Verteidigungsstrategie beteiligt war.

"Trotzig", "herausfordernd", "frech" und "dreist" waren Charakterisierungen, die amerikanische Kommentatoren zur Beschreibung der Rede Clintons wählten.Der Präsident spalte bewußt und versuche, seine Anhänger um sich zu scharen und die Unbeliebtheit Starrs auszunutzen, hieß es.ROBERT VON RIMSCHA

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