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Politik: „Ich sehe keine Absetzbewegungen“

Umweltminister Trittin über den Zusammenhalt in der Koalition und die Rekordarbeitslosigkeit

Herr Trittin, können Sie sich vorstellen, dass der Kanzler zum Reformgipfel lädt und die Grünen nicht dabei sind?

Wen der Kanzler einlädt, das bestimmt er selbst.

Grünen-Chef Bütikofer besteht nicht auf einer Einladung.

Gehen Sie davon aus, dass wir als Koalition das Gespräch mit der Opposition führen.

Es fällt auf, dass die SPD zunehmend auf Distanz zu den Grünen geht – etwa beim Antidiskriminierungsgesetz, in der VisaAffäre und beim Umweltschutz. Wie erklären Sie sich die Absetzbewegungen?

Ich sehe keine Absetzbewegungen. Allerdings wundere ich mich schon sehr über die Darstellung Einzelner, wonach das Antidiskriminierungsgesetz ein grünes Projekt sein soll. Ich dachte immer, es wären alle dagegen, dass Alte wegen ihres Alters, Frauen wegen ihres Geschlechts und Behinderte wegen ihrer Behinderung diskriminiert werden. Jedenfalls hat es im Rat der EU dafür eine breite Mehrheit gegeben – und die Grünen haben da keine absolute Mehrheit. Diese Richtlinie setzen nun die in Deutschland verantwortlichen Ministerien um. Der arbeitsrechtlich relevante Teil wurde beispielsweise von Wolfgang Clements Haus entworfen und von den Fraktionen fast unverändert übernommen. Die Neuregelungen im Beamtenrecht hat das Innenministerium vorbereitet.

Haben Clement und Schily ihre Ministerien nicht im Griff?

Das habe ich nicht zu beurteilen. Die Koalition wird sich mit der aktuellen Kritik an dem Gesetz konstruktiv auseinander setzen – dafür hat es Montag eine Anhörung gegeben. Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wird. Am Ende wird es entgegen Angela Merkels Forderungen ein von dieser Koalition verabschiedetes Antidiskriminierungsgesetz geben – denn niemand wird Deutschland in die Gefahr von Zwangsgeldern bringen, weil es EU-Recht nicht umgesetzt hat.

Macht es Ihnen Sorge, dass die Grünen in der aktuellen Debatte um die Rekordarbeitslosigkeit auch von SPD-Politikern in die Rolle von Öko-Bürokraten und Wachstumsverhinderern gedrängt werden?

Ökologie und Ökonomie gegeneinander auszuspielen, ist absurd. Umwelt und Arbeit gehören zusammen. Unsere Politik der ökologischen Modernisierung hat für Wachstum und Innovation gesorgt und dadurch Zehntausende von Arbeitsplätzen gesichert und viele neue geschaffen. Grundsätzlich gilt: Ressourceneffizienz ist Kosteneffizienz, also ein Wettbewerbsvorteil und kein Hindernis. Man kann das in der Lissabon-Strategie der EU für mehr Wachstum nachlesen. Eine Rückkehr zu den wirtschaftspolitischen Vorstellungen Helmut Schmidts würde unsere globale Wettbewerbsfähigkeit dagegen enorm belasten.

Worauf führen Sie die Anwürfe aus der SPD denn nun zurück?

Einzelne sind nicht die SPD. Klar ist, dass man mit der Inszenierung eines koalitionären Gegeneinanders kein überzeugendes Angebot an die Wähler macht, auch nicht in Nordrhein-Westfalen. Ökologische Modernisierung und soziale Gerechtigkeit gehören zusammen.

Betriebsräte großer Unternehmen in NRW machen ebenfalls gegen die Grünen mobil. Können Sie sich vorstellen, dass dies ohne Billigung der SPD-Führung geschieht?

Wenn es Betriebsräte geben sollte, die lieber von Herrn Rüttgers und der FDP regiert werden wollen – viel Spaß! Im Interesse der SPD kann das nicht sein - und deshalb dürfte ihr das kaum gefallen.

Vielleicht gibt es auch in der SPD eine Sehnsucht nach der großen Koalition.

Peer Steinbrück weiß sehr genau, dass er nur Ministerpräsident bleiben wird, wenn Rot-Grün gewinnt. Die letzte Landtagswahl hat ja gezeigt, wohin es führt, wenn die SPD mit der FDP liebäugelt. Rot-Grün hat das damals in die Nähe des Machtverlusts gebracht. Man muss nicht jeden Fehler wiederholen.

„Wenn wir die Arbeitslosenquote nicht spürbar senken, dann haben wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden.“ Gilt der Satz des Kanzlers vom Dezember 1998 noch für die Koalition?

Ja, der hat Bestand.

Was kann Rot-Grün zur Senkung der Arbeitslosigkeit noch tun?

Wir haben mit einer deutlichen Entlastung des Faktors Arbeit und mit den Arbeitsmarktreformen die Voraussetzungen geschaffen, dass bei anziehender Konjunktur schneller und mehr Beschäftigung entsteht. Was wir jetzt brauchen, ist eine Stärkung der Binnennachfrage.

Sie plädieren für Konjunkturprogramme?

Ich plädiere dafür, die Investitionskraft im Inland zu stärken. Es geht nicht um Strohfeuer, sondern um eine dauerhafte Belebung der Investitionen der öffentlichen Hand wie der Privaten. Wenn der EU-Stabilitätspakt stärker auch als Wachstumspakt begriffen wird, haben wir dafür den finanziellen Spielraum.

Wie wollen die Grünen als Partei der Generationengerechtigkeit noch mehr Schulden vertreten?

Es geht eben nicht um Programme, die in den Konsum fließen, sondern um Investitionen, die sich auch für den Staatshaushalt auszahlen. Aus der Ökosteuer haben wir zum Beispiel ein Kreditprogramm zur Gebäudesanierung finanziert. Jeder Euro Zinszuschuss hat das Achtfache an privaten Investitionen ausgelöst. Das Geld ist in zwei bis drei Jahren in den Haushalt zurückgeflossen, so schnell ist der Generationswechsel nicht mal am Prenzlauer Berg. Solche Maßnahmen brauchen wir jetzt in großem Umfang.

Das Gespräch führten Stephan Haselberger und Hans Monath.

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