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Politik: „Ich traue mich zurzeit nicht zu telefonieren“ Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose

über die Abhöraktionen der USA und Folgen daraus.

Herr Klose, amerikanische Geheimdienste stehen im Verdacht, in Europa massenweise Daten ausgespäht und sogar Regierungen bespitzelt zu haben. Warum sollten wir mit den USA jetzt über ein Freihandelsabkommen sprechen?

Ganz gleich, was sich herausstellen wird: Wir sind sehr enge Partner. Deutschland wäre ohne die Amerikaner heute nicht wiedervereinigt. Diese Sicherheitspartnerschaft nimmt in ihrer Bedeutung nach dem Ende des Kalten Krieges jedoch ab. An dieser Stelle müssen neue Verbindungen entstehen. Wir sind gegenseitig mit umfangreichen wirtschaftlichen Investitionen verbunden. Das sollten wir in einem Handels- und Investitionsabkommen festschreiben.

Welches Interesse haben wir?

Wir erhalten damit eine strategische Brücke über den Atlantik. Das ist ökonomisch von unschätzbarem Wert und öffnet sogar die Chance, in Zukunft gemeinsam noch weiter in Richtung China zu gehen. Man darf nicht vergessen: Fast die Hälfte der Weltwirtschaft wird noch immer von Amerika und Europa bestimmt. Das bedeutet weltweiten Einfluss für Europa, den wir erhalten müssen.

Jürgen Trittin, der Spitzenkandidat der Grünen im Bundestagswahlkampf, sagt, wir müssten die Gespräche mit den USA vertagen, bis der Datenskandal aufgeklärt ist. Hat er recht?

Nein. Die Datenschutzfrage muss zu einem Teil der Verhandlungen werden. Es wäre töricht, Gespräche auf Eis zu legen, an denen wir ein besonderes Interesse haben. Worüber jedoch sehr ernsthaft mit den Amerikanern gesprochen werden muss, das ist die Frage, ob unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung Datenspionage oder sogar Wirtschaftsspionage betrieben wurde. Allerdings muss man im Augenblick sehr vorsichtig sein mit Urteilen. Denn bekannt ist eigentlich nichts, es gibt nur Vermutungen.

Haben Sie die Veröffentlichungen überrascht?

Dass die amerikanische NSA über ein groß angelegtes Programm Daten in Europa sammelt, hat mich nicht überrascht. Dass womöglich Regierungsstellen angezapft wurden, geht allerdings weit darüber hinaus und ist ein nicht zu akzeptierender Eingriff in unsere Souveränität. Das muss dringend aufgeklärt werden. Ich zum Beispiel traue mich im Moment überhaupt nicht zu telefonieren. Solche Auswirkungen hat das.

Was erwarten Sie als Transatlantiker von der US-Regierung?

Zumindest eine offene Entschuldigung, wenn stimmt, was ich alles lesen muss. Und dann müssen in den Handelsgesprächen Regeln festgelegt werden, an die sich beide Seiten halten. Wir müssen klar unsere Akzeptanzgrenzen aufzeigen und ein Abkommen mit den USA schließen. Dass wir die Informationen der US-Dienste bislang und wahrscheinlich auch in Zukunft gern nutzen, fordert uns dabei Besonnenheit ab. Jede Form der Übertreibung könnte am Ende unseren Sicherheitsinteressen schaden.

Das Interview führte Antje Sirleschtov.

Hans-Ulrich Klose (76) sitzt seit 1983 für die SPD im Bundestag. Im September tritt er nicht mehr an.

Er ist Vorsitzender

der deutsch-

amerikanischen

Parlamentariergruppe.

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