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Im BLICK: Gar nicht mehr beschämend

Um den Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten ruhig geworden. Der Abbruch einer Schwangerschaft, in der DDR seit 1972 erlaubt, im Westen Deutschlands seit 1976 unter Bedingungen straffrei, hatte vor rund zwanzig Jahren noch zweimal große Schlagzeilen produziert: Ende der 80er, als der Allgäuer Frauenarzt Horst Theissen und seine Patientinnen wegen – in Bayern – illegaler ambulanter Abtreibungen vor Gericht standen.

Um den Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs ist es in den vergangenen zwei Jahrzehnten ruhig geworden. Der Abbruch einer Schwangerschaft, in der DDR seit 1972 erlaubt, im Westen Deutschlands seit 1976 unter Bedingungen straffrei, hatte vor rund zwanzig Jahren noch zweimal große Schlagzeilen produziert: Ende der 80er, als der Allgäuer Frauenarzt Horst Theissen und seine Patientinnen wegen – in Bayern – illegaler ambulanter Abtreibungen vor Gericht standen. Und ein weiteres Mal mit der deutschen Einheit. Damals galt es, das freizügige DDR-Abtreibungsrecht mit dem restriktiveren Paragrafen 218 der Bundesrepublik zusammenzufügen. Seit 1995 nun ist Abtreibung nach wie vor rechtswidrig, wird aber nicht bestraft, wenn ein Arzt oder eine Ärztin sie vornehmen und die Schwangere sich wie vorgeschrieben beraten ließ.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht, das sich seit 1974 immer wieder mit dem Thema auseinandersetzte, in dieser Woche einen Beschluss veröffentlicht, der zunächst jenen recht zu geben scheint, die in der fortdauernden Rechtswidrigkeit das Einfallstor zu immer neuen Attacken gegen das Recht auf Abtreibung sehen: Karlsruhe gab einem christlichen Aktivisten recht, der vor der Praxis eines Münchner Frauenarztes Flugblätter gegen Abtreibung verteilte, Patientinnen des Arztes ansprach und ihn auch im Internet als Abtreibungsmediziner bezeichnete. Mehrere Instanzen hatten dadurch das Persönlichkeitsrecht des Arztes verletzt gesehen; die Verfassungsrichter ihrerseits sahen das Recht auf freie Meinungsäußerung des Abtreibungsgegners verletzt und verwiesen den Fall zurück ans Landgericht München.

Ein Sieg für Deutschlands Lebensschützer? Eher im Gegenteil. Die Richter stellen in einer Abwägung der Rechte des Arztes und des Demonstranten vor seiner Praxistür fest, dass der eine das Persönlichkeitsrecht des anderen gar nicht verletzen könne: Es sei „nicht zu erkennen“, schreiben sie, dass dem Arzt „ein umfassender Verlust an sozialer Achtung drohe, wenn seine Bereitschaft zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zum Gegenstand einer öffentlichen Erörterung gemacht wird“. Mit anderen Worten: Die Richter halten es für gesellschaftlich inzwischen durchgesetzt, dass Abtreibung weder verbrecherisch noch ausreichend beschämend ist, um den sozialen Tod eines Arztes herbeizuführen. Wörtlich werden die Abtreibungen, die der Arzt vornimmt, als nicht „strafrechtlich relevant oder auch nur überhaupt gesetzlich verboten“ gekennzeichnet.

Interessant auch die Ausführungen über die Patientinnen: Sollten die sich durch die Kampagne vor der Praxis „gleichsam einem Spießrutenlauf ausgesetzt sehen“, könnte dies Eingriffe in die Meinungsfreiheit rechtfertigen. Das aber hätten die Gerichte, die dem Arzt recht gaben, nicht plausibel gemacht.

Alles in allem ein Beschluss, der eher die Befürchtungen der „Lebensschützer“ bestätigt: dass nämlich die Rechtswidrigkeit der Abtreibung keinerlei juristische Folgen habe. Bliebe die Frage, warum sie nicht endlich aufgegeben wird – eine Frage an die Politik, aber auch an Karlsruhe, das in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder darauf beharrte.

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