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Im BLICK: In jedem Ende ein Anfang?

Neuerdings haben ja auch die Grünen das Zeug zur Volkspartei. Liest man jedenfalls gelegentlich, seit deren Umfragewerte sprießen wie die Blüten im Mai.

Neuerdings haben ja auch die Grünen das Zeug zur Volkspartei. Liest man jedenfalls gelegentlich, seit deren Umfragewerte sprießen wie die Blüten im Mai. Um die 25 Prozent – das reicht heute also, um als Volkspartei durchzugehen. Wobei man gleichzeitig auch vom Ende der Volksparteien hört. Passt irgendwie nicht zusammen. Und was ist das überhaupt, eine Volkspartei? Vor 30, 40 Jahren galt das als ausgemacht: Union und SPD. Sie kamen zusammen auf 90 Prozent. Viele Mitglieder und 50-Prozent-Potenzial – das war mal die Definition. Freilich galt das nur für eine kurze Periode in der Parteiengeschichte. Und nimmt man die Vertretung aller Volksschichten als Maßstab, wird es schon schwieriger. Denn bis zur Ära Brandt war die SPD eigentlich gar keine richtige Volkspartei. Sondern eine Arbeiterpartei, die sich für Angestellte und kleine Beamte geöffnet hatte, aber kaum Stimmen aus dem kleinen, mittleren und – schon gar nicht – dem großen Bürgertum bekam.

CDU und CSU waren in der Hinsicht immer volksparteilicher als die SPD. In ihnen lebte die Tradition des katholischen Zentrums fort, das lange Zeit eine solche Volkspartei gewesen ist, die alle Schichten der Bevölkerung ansprach, Arbeiter, Angestellte, Bauern, Mittelstand, Fabrikanten, Adlige, kleinere und höhere Staatsdiener. Aber eben nur im katholischen Milieu. Der Union gelang es, diesen Anspruch auf protestantische Wählerschichten auszudehnen. Helmut Kohl war wohl der letzte Vorsitzende, der in dieser Tradition stand. Doch mit Abgesängen sollte man vorsichtig sein.

Denn was wir seit geraumer Zeit erleben, beginnend in den Achtzigern, ist zwar eine langsame Veränderung des Parteiensystems. Doch wo sie hinführt, ist keineswegs sicher. Derzeit sieht es nach einer festen Rückkehr zu einem Fünfparteiensystem aus, das sich in etwas anderer Konstellation erstmals 1848 zeigte, dann das Kaiserreich prägte und in der Weimarer Republik zerfiel. Es gab eine Linke (traditionell die SPD, bisweilen begleitet von einem noch linkeren Trabanten), Linksliberale (das sind heute die Grünen), Rechtsliberale (das ist das Schicksal der FDP), Zentrum und Konservative (heute zusammengefasst in der Union). Bis in die sechziger Jahre hinein zeigten sich die Spuren dieses Parteiensystems, erst dann dominierten die „Volksparteien“ Union und SPD.

Möglicherweise richten sich Linke, SPD, Grüne, FDP und Union jetzt auf längere Zeit in einem System mittelgroßer Nichtvolksparteien ein. Vielleicht kommt auf der Rechten auch noch eine Partei hinzu. Vielleicht aber entsteht mit der Zeit auch wieder ein System mit zwei klar dominierenden Kräften. Denn im Grunde gibt es nur zwei Pole, progressiv und konservativ, links oder rechts. Das gilt auch in Zeiten einer großen unpolarisierten Mitte. Auf diese Pole richten sich Parteien aus. Und bei aller programmatischen Verschwommenheit, allen übergreifenden Experimenten und technokratischem Pragmatismus zum Trotz – dass es diese Lagerpole gar nicht mehr gibt, wird man kaum behaupten können. Die spannende Frage auf progressiver Seite ist: Wer wird Fähnleinführer, SPD oder Grüne? So gesehen könnte in der Tat im Ende der einen der Anfang der anderen „Volkspartei“ liegen.

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