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Alt-Bundespräsident Christian Wulff wurde von seinem früheren Sprecher Olaf Glaeseker schwer belastet. Der Vorwurf der Falschaussage steht im Raum.

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Vor der Niedersachsen-Wahl: Im Fall Wulff steht Aussage gegen Aussage

Die Staatsanwaltschaft will sich im Korruptionsverfahren gegen Christian Wulff nicht von der nahen Landtagswahl beeinflussen lassen. Dafür heizt nun Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker den Konflikt an - das könnte ernste Konsequenzen nach sich ziehen.

Von irgendwelchen politischen Terminen wollen sich die Staatsanwälte im Korruptionsverfahren gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff nicht beirren lassen. „Dass am 20. Januar 2013 die Landtagswahl in Niedersachsen stattfindet, ist kein strafprozessualer Aspekt“, sagt der Chefermittler. „Der Fall wird entschieden, wenn er entscheidungsreif ist.“ Aber wann genau dies sein könne, sei derzeit noch völlig offen, erklärt die Anklagebehörde in Hannover.

Das Verfahren liefert also keine neue Wahlkampfmunition für die rot-rot-grüne Opposition, die insgeheim auf eine Anklageerhebung gehofft hat, um Wulffs Nachfolger im Amt des CDU-Ministerpräsidenten, David McAllister, vorführen zu können. Aber genauso wenig gibt es Entwarnung für die schwarz-gelbe Landesregierung, die die leidige Affäre möglichst geräuschlos beendet sehen will. Für sie seien nur die unmittelbar Beteiligten entscheidend, nicht die politischen Parteien, betonen die Staatsanwälte. Ob der Fall jemandem schaden oder nützen könne, sei ihnen für ihre Arbeit ziemlich egal.

Gegen Wulff wird seit Februar wegen Vorteilsnahme ermittelt, weil er sich in seiner Zeit als niedersächsischer CDU- Ministerpräsident 2007 und 2008 vom Filmunternehmer David Groenewold zu luxuriösen Hotelaufenthalten auf Sylt und in München dreimal hat einladen lassen sollen. Im Gegenzug soll das CDU/FDP-Kabinett großzügig Filmfördermittel bewilligt haben. Die Vorwürfe hatten am 17. Februar zum Rücktritt des Staatsoberhaupts geführt.

Olaf Glaeseker

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Parallel laufen in einen zweiten Verfahren Ermittlungen ebenfalls wegen Vorteilsnahme gegen Wulffs ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker, der als Staatssekretär 2009 kräftig bei der Organisation der umstrittenen Promi-Sause „Nord- Süd-Dialog“ des Party-Managers Manfred Schmidt mitgewirkt haben und dafür mit Gratis-Urlauben belohnt worden sein soll. Gegen Groenewold und gegen Schmidt ermittelt die Staatsanwaltschaft jeweils wegen Vorteilsgewährung. Dafür, dass Wulff seinen früheren Intimus Glaeseker zu verbotenem Handeln angestiftet haben könnte, sieht die Anklagebehörde nach intensiver Prüfung allerdings keine Anhaltspunkte.

Im Komplex um den Nord-Süd-Dialog sind gerade erst im Zuge eines Rechtshilfeverfahrens Kontoauszüge aus Spanien, wo Schmidt unter anderen Orten residiert, eingetroffen; diese müssen noch ausgewertet werden. Auch sind offenbar noch nicht alle Zeugen befragt worden. Und schließlich stehen die Stellungnahmen der Anwälte der vier Beschuldigten aus. Diese will die Staatsanwaltschaft zunächst abwarten.

Der frühere Präsidentensprecher Glaeseker heizte die Auseinandersetzung am Wochenende kräftig an – und erhob gegen seinen Ex-Chef den Vorwurf der Falschaussage. Christian Wulff hatte als Zeuge gegenüber der Staatsanwaltschaft Hannover behauptet, nur vage über Glaesekers Reisen zu dem Party-Manager Schmidt gewusst zu haben.

Glaeseker verweist nun in einer Stellungnahme laut „Bild am Sonntag“ und „Spiegel“ unter anderem auf das Reisetagebuch seiner Ehefrau. Dort finden sich mehrere Einträge, die auf Telefonate, Faxe und SMS zwischen Glaeseker und Wulff hindeuten. Glaeseker argumentiert, er habe Schmidt nicht für Gegenleistung geholfen, sondern weil dieser ein guter Freund sei. In einem Ermittlungsbericht heißt es hingegen, Schmidt habe Glaeseker mit Gratisreisen „angefüttert“.

„Die Ermittlungen sind abgeschlossen“ – in den Akten beider Verfahren jedenfalls fehlt noch dieser entscheidende Satz, mit dem die Staatsanwaltschaft ihren nächsten Schritt einleitet. Drei Möglichkeiten gibt es: Einstellung wegen mangelnden Tatverdachts, Einstellung wegen Geringfügigkeit, etwa nach Zahlung einer Geldbuße, oder eben Anklageerhebung beziehungsweise Antrag auf Erlass eines Strafbefehls. Letztere, bei dem den Betroffenen ein öffentlicher Prozess erspart bliebe, ist allerdings nur denkbar, wenn sich die Staatsanwaltschaft mit einer Geldstrafe oder Bewährungsstrafe unter einem Jahr Haft begnügen würde.

Bei einer eventuellen Strafzumessung für Vorteilsnahme oder sogar Bestechlichkeit spielt vor allem das Maß der Pflichtwidrigkeit der käuflichen Amtsträger sowie deren Rang eine Rolle. Je höher eine Person gestellt ist, desto mehr wird das Vertrauen in die Lauterkeit der Verwaltung erschüttert. Aber die Justiz muss auch die persönliche Motivlage prüfen, ob etwa die Gefälligkeiten nur aus reiner Freundschaft und nicht im dienstlichen Kontext erfolgten. Mildernd könnten sich die Folgen der Tat für den Täter auswirken, etwa die Prangerwirkung sowie vor allem der Verlust von Beruf und Ämtern. (mit dapd)

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