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Machthaber. Kim Jong Un besichtigt eine Militärbasis. Foto: AFP

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Nordkorea: Im Kern gespalten

Nordkoreas neuer Führer Kim Jong Un will das Atomprogramm aussetzen – Experten bleiben vorsichtig.

Nach der unerwarteten Ankündigung Nordkoreas, sein Atomprogramm auszusetzen, Tests von Langstreckenraketen zu stoppen und UN-Inspekteure wieder ins Land zu lassen, äußern sich Experten zurückhaltend. Norbert Eschborn, Leiter des Auslandsbüros Korea der Konrad- Adenauer-Stiftung, sagte dem Tagesspiegel am Donnerstag: „Wir haben einfach schon zu viele Enttäuschungen mit Nordkorea erlebt. An einen wirklichen Fortschritt glaube ich erst, wenn die Inspektoren wirklich im Land waren.“ Ohnehin hätte der Westen keinen vollständigen Überblick über das nordkoreanische Atomprogramm und könne die Ankündigung nicht umfassend beurteilen. Eschborn gehört zu den deutschen Nordkorea-Experten, zuletzt war er im Dezember vor Ort, kurz vor dem Tod des langjährigen Machthabers Kim Jong Il.

US-Experten dagegen begrüßten die Einigung als wichtigen ersten Schritt. „Wer mit Nordkorea verhandelt, muss sich immer zwischen schlechten Optionen entscheiden“, sagten die Wissenschaftler Victor D. Cha, Ellen Kim und Marie du Mond vom Center für Strategic und International Studies in Washington. Die US- Regierung habe vor der Wahl gestanden, entweder mit einem ihrer Kontrolle entzogenen Nuklearprogramm zu leben oder mit zugehaltener Nase mit dem Regime zu verhandeln. Allerdings erwarten die Wissenschaftler innenpolitische Kritik an Präsident Obama. Dessen Regierung hatte nach vorherigen Abmachungen mit Nordkorea erklärt, sie würden „nicht zum dritten Mal das gleiche Pferd kaufen“. Trotzdem hatten sich zum dritten Mal seit Juli 2011 US-amerikanische und nordkoreanische Diplomaten in der vergangenen Woche getroffen. Auch diesmal schienen die Gespräche in Peking kaum Fortschritte zu bringen, doch nachdem die nordkoreanischen Diplomaten nach Hause gefahren waren, lenkten sie überraschend ein.

Der Nuklearexperte Philip Yun vom Ploughshares Fund, einer Stiftung gegen Massenvernichtungswaffen, wertete vor allem die Zulassung von IAEO-Experten durch Nordkorea als Erfolg. Nach dem Tod von Kim Jong Il sei im Westen mit einer Verzögerung der Verhandlungen gerechnet worden, sagte er. Auch habe bislang niemand das nordkoreanische Atomprogramm kompetent beurteilen können. „Es ist großartig, dass wir nun Experten im Land haben werden, die aufgrund von Fakten Einschätzungen abgeben können“, sagte Yun, „das ist ein sehr gutes Ergebnis für uns.“

Allgemein gerätselt wird angesichts der beschleunigten Entwicklungen über die Rolle des neuen Machthabers Kim Jong Un. Vor dieser Woche war der junge und unerfahrene Un politisch kaum in Erscheinung getreten. Beobachter des Landes hatten den Eindruck, dass der neue Führer kaum aktiv Einfluss nimmt, während die alte Militärclique und sein Schwager Jang Song-thaek die Politik des Lands bestimmen.

Die im Gegenzug für die Aussetzung versprochenen 250 000 Tonnen Lebensmittelhilfen der USA könnten Kim Jong Un in der Bevölkerung größeren Rückhalt verschaffen und einen wichtigen propagandistischen Zweck in dem isolierten und verarmten Land erfüllen: die Bevölkerung während der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des verstorbenen Staatsgründers Kim Il Sung am 15. April und dem 80. Gründungsjubiläum der Armee am 25. April ausreichend mit Nahrung zu versorgen. Über die Versorgungslage in Nordkorea gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse. „Meine offiziellen Begleiter sagten mir bei meinem letzten Aufenthalt, heutzutage habe jeder Nordkoreaner ,mehr oder weniger’ zu essen. Das war auch mein Eindruck: Essen ist da, aber keinesfalls übermäßig und nicht abwechslungsreich und nicht in gleichem Maße für alle“, erklärte Norbert Eschborn. Die erwarteten Hilfsleistungen aus den USA werden überdies vor allem aus Nahrungsergänzungsmitteln wie nahrhaften Keksen bestehen. Reis oder Weizen wird von den Hilfsorganisationen nicht mehr nach Nordkorea geliefert, weil verhindert werden soll, dass die Säcke bei den Militärs oder der nordkoreanischen Nomenklatura landen.

China, Nordkoreas wichtigster politischer Verbündeter, wertete die aktuelle Vereinbarung als einen wichtigen Schritt in Richtung einer Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche. An diesen Gesprächen haben bis zu ihrem Aussetzen 2009 neben China auch Nord- und Südkorea, Japan, USA und Russland teilgenommen. Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel seien diese Gespräche unverzichtbar, schreibt die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Eschborn erwartet eine Änderung der chinesischen Politik gegenüber Nordkorea: „In China wird es in Kürze einen Führungswechsel geben und ich gehe davon aus, dass die neue Führung pragmatischer mit Nordkorea umgehen wird.“ Eschborn glaubt zwar nicht, dass China das von ihm abhängige Land fallen lasse, doch „bedingungslose Unterstützung“ sei ebenfalls nicht zu erwarten.

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