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Politik: Im Rennen bleibt ein Quartett (Leitartikel)

Hätte Goliath damals gegen David triumphiert, wären beider Namen längst vergessen. So ist das mit Siegen, biblisch wie politisch.

Hätte Goliath damals gegen David triumphiert, wären beider Namen längst vergessen. So ist das mit Siegen, biblisch wie politisch. Ein Gewinner ist, wer erstens gewinnt und zweitens die Erwartungen schlägt. Die für Amerikas erste Vorwahl in New Hampshire besagten, ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Demokraten wie bei den Republikanern werde das Interesse am Doppel-Duell um die Nachfolge Bill Clintons wach halten. Nun ist es ein wenig anders gekommen. Ein David, der Underdog John McCain, hat seinem Partei-Goliath George W. Bush kräftig eins ausgewischt und ihm den Nimbus der Unbesiegbarkeit genommen. Der zweite David, Bill Bradley bei den Demokraten, lag beinahe gleichauf mit Al Gore. Für Amerika heißt das: Es bleibt spannend. Für die weite Welt jenseits der US-Grenzen bedeutet dies zuallererst: Ein besserer Kandidat wird im November zum Präsidenten gewählt werden.

Besser - weil mehr gefordert. Von Woche zu Woche reifen Bush und Gore. Beide bleiben die Favoriten des jeweiligen Partei-Establishments. Ihre Stärken in Sachen Organisation und Geld werden sie bei den kommenden Vorwahlen stärker ausspielen können. Bush und Gore sind dank ihrer Herausforderer nicht nur zu erfahreneren Wahlkämpfern geworden, sondern zu besseren Politikern. Auch wenn bei US-Wahlen die Außenpolitik in Friedenszeiten weit hinten rangiert, hat das Folgen für Europa. Nach New Hampshire präsentiert sich das Feld der Anwärter als Quartett der Mitte: Vier Politiker, die sich zu Freihandel und Internationalismus bekennen, die Amerikas einmalige Rolle in der Welt mit Verantwortung wahrnehmen wollen, sich aber weder für den Rückzug in den Isolationismus noch für eine arrogante Weltpolizisten-Rolle einsetzen. Wahlsieger McCain steht exemplarisch für diesen Kurs: moderate Steuersenkungen, sozialpolitische Langfristplanung, keine Ausgrenzung in der Partei wie im Land durch die Betonung moralisch-symbolischer Kampfthemen. McCains führendes Feindbild sind Washingtons Lobbys, nicht Peking, Moskau oder die UN.

Dies ist ein Weltbild, das offensichtlich ankommt. Fast 20 Prozentpunkte Vorsprung hat McCain bekommen. Bei Bush schrillen nun die Alarmglocken. Wer viel mehr Material in die Schlacht wirft, beide Senatoren und alle Abgeordneten des Bundesstaates hinter sich hat, wer sich der Rückendeckung des gesamten Establishments sicher sein kann und dann nicht einmal ein Drittel der Partei-Anhänger mobilisiert, der mag alles mögliche sein - unvermeidbar aber nicht. Doch eben sein Ruf, bei der Wahl am 7. November eine sichere Bank zu sein, hat Bush die breite Unterstützung des Apparates beschert, die ihm nun nichts nutzte. Der lachende Dritte ist Gore. Je mehr McCain kratzt und je mehr der Lack von Bush abblättert, umso rasanter holt Gore gegenüber Bush auf. Und ein Präsident Gore würde für die weite Welt Kontinuität bedeuten.

Noch ist nichts entschieden. Wer von den vieren offizieller Kandidat wird, klärt sich parteiintern am "Super Tuesday", dem 7. März, wenn 14 Bundesstaaten wählen. Aus dem Quartett wird dann ein Duo. Am 7. November spät abends kennen wir den Clinton-Nachfolger. Nach New Hampshire steht fest: Die Erwartungen sind auf den Kopf gestellt. Bei den Demokraten hat Goliath Gore sich zum populären David gemausert; bei den Republikanern hat David McCain sich die Chance erarbeitet, Bush ernsthaft zu gefährden. Bislang sind die vier recht pfleglich miteinander umgegangen und haben ihren Wettstreit vor allem genutzt, um an ihren Positionen zu feilen. Das wird sich nun vermutlich ändern.

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