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 Die Abgeordneten des Bundestags in Berlin genießen Immunität. Einige sind für deren Abschaffung.

© Lukas Schulze/dpa

Immunität der Abgeordneten: Wenn der Bundestag Schutz gewährt

Sieben Mal hat das Parlament bisher Ermittlern die Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten verweigert - mit dem Argument der Rufschädigung.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hält die Immunität für überflüssig. Nicht zuletzt, weil sie ohnehin aufgehoben wird, wenn Staatsanwälte gegen Abgeordnete ermitteln wollen. Allerdings bestätigen Ausnahmen diese Regel: Sieben Fälle gab es in den letzten 25 Jahren, in denen das Parlament seine Mitglieder dem Zugriff der Ermittler entzogen hat. In den vergangenen drei Wahlperioden wurde es damit auffällig zurückhaltender.
Aus dieser Zeit stammt der Fall des SPD-Abgeordneten Bernd Scheelen, der im Zuge angeblich von Energiekonzernen bezahlter „Lustreisen“ ins Visier der Strafverfolger geraten war. Grund war ein von den Krefelder Stadtwerken spendierter Besuch des Unesco-Welterbes Zollverein in Essen für seine Aufsichtsräte, samt Dinner und Musical-Gutschein. Scheelen, damals neu im Aufsichtsrat, wurde Untreue vorgeworfen. Der Verdacht wurde dem Bundestag angezeigt, womit die Ermittlungen zunächst genehmigt waren. Doch im Februar 2007 zog der Bundestag die Genehmigung zurück.
Der damalige Vorsitzende des Immunitätsausschusses Thomas Strobl (CDU) warf den Strafverfolgern einen „groben Fehlgriff" vor, die Stadtwerke seien nicht geschädigt, der Abend habe ja in ihrem Interesse stattgefunden. So könne das Vorgehen der Staatsanwaltschaft „das Ansehen des Abgeordneten in unberechtigter Weise nachhaltig beschädigen und ihn bei der Ausübung seines Mandats behindern“. Strobl will den Fall aus heutiger Sicht nicht kommentieren. Doch er teilt Lammerts Kritik, dass Immunitätsverfahren Vorverurteilungen begünstigten, und steht dessen Vorschlag, sie abzuschaffen, „grundsätzlich positiv gegenüber“.

Noch deutlicher war dieser Vorwurf an die Adresse der Ermittler im Fall des Europa-Abgeordneten Elmar Brok (CDU). Er hatte in seiner Steuererklärung ein Rede-Honorar nicht angegeben, woraufhin die Staatsanwaltschaft Bielefeld ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung einleiten wollte. Der zuständige Ausschuss im Europaparlament lehnte das Ansinnen im Februar 2011 ab. Die Parlamentarier zweifelten an Broks Tatvorsatz. Brok habe seine Steuerschuld beglichen. Ein Fall fürs Finanzamt, urteilte der Ausschuss, keine Strafsache. Das Verfahren sei eine „Verleumdung“ mit dem „alleinigen Ziel der Schädigung des Rufs des betroffenen Mitglieds“.
Ein weiterer prominenter Nutznießer des Privilegs war der grüne Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit, den Frankfurter Fahnder verdächtigt hatten, einem Terroristen beim Untertauchen geholfen zu haben. Aufgrund „besonderer Umstände des Falles“ verweigerte das Parlament 2003 die Immunitätsaufhebung. Eine tendenziöse Verfolgung wie später bei Brok konnten sie aber nicht erkennen.
Der Immunitätsschutz soll politisch motivierte Übergriffe der Exekutive verhindern und die Arbeitsfähigkeit der Parlamente sicherstellen – ob die Ermittler diese Schwelle allerdings tatsächlich überschritten haben, dürfte in allen Beispielen fraglich sein. So kann die parlamentarische Immunität eben doch noch etwas anderes sein als nur eine „Belastung“, meint Lammert.

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