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Politik: In Chile wird ein Prozess gegen den Ex-Diktator vorbereitet - Die Opfer wollen keine Kompromisse mehr

Seit Augusto Pinochet wieder chilenischen Boden betrat, ist der Konflikt zwischen Streitkräften und der zivilen Regierung neu aufgeflammt. Selbst der im vergangenen Herbst ins Leben gerufene "Dialog-Tisch", der eigentlich in dieser Woche einen Zwischenbericht über das Schicksal der während der Diktatur "Verschwundene" abliefern sollte, droht daran zu zerbrechen.

Seit Augusto Pinochet wieder chilenischen Boden betrat, ist der Konflikt zwischen Streitkräften und der zivilen Regierung neu aufgeflammt. Selbst der im vergangenen Herbst ins Leben gerufene "Dialog-Tisch", der eigentlich in dieser Woche einen Zwischenbericht über das Schicksal der während der Diktatur "Verschwundene" abliefern sollte, droht daran zu zerbrechen.

Zu Recht waren Regierung und die Vertreter der Opfer von Pinochets Regime empört über den pompösen Empfang, den die Militärs ihrem ehemaligen Oberbefehlshaber bereiteten. "Ein Dokument über die Existenz schwerer Menschenrechtsverletzungen in Chile ist kaum glaubwürdig, wenn der Hauptverantwortliche mit militärischen Ehren empfangen wird", begründete der Anwalt Roberto Garretón seine Weigerung, das Papier zu unterschreiben. "Der Dialog-Tisch hat keine Zukunft", meinte Mireya Garcá, Vizepräsidentin der "Angehörigen der Verschwundenen". Die Opferfamilien hatten sich von Anfang an geweigert, an dem Dialog zwischen Militärs, Regierungs- und Menschenrechtsvertretern teilzunehmen.

Für neue Wut dürfte die Entscheidung des höchsten Londoner Zivilgerichts (High Court) sorgen, dass Pinochet Anwaltskosten in Höhe von bis zu 500 000 Pfund (1,6 Millionen Mark) vom britischen Staat erstattet bekommt. Das Gericht befand, Pinochet habe Anspruch auf das Geld, das er gegen seine drohende Auslieferung an Spanien einsetzte.

Ungeachtet dessen gab Chiles Richter Juan Guzmán Tapia am Montag den Startschuss für einen langwierigen Prozess, an dessen Ende die Verurteilung von Pinochet stehen soll. Guzmán übergab ein Dossier mit zunächst 61 Anklagen gegen den Ex-General an das Appellationsgericht von Santiago und beantragte die Aufhebung der Immunität von Pinochet, die dieser bisher als "Senator auf Lebenszeit" genießt. Am Dienstag wurden dann fünf weitere Anklagen wegen Ermordung von 53 Oppositionellen und dem Verschwinden von 31 Menschen eingereicht.

Der Großteil der Anklagen bezieht sich auf die so genannte "Todeskaravane" von 1973. Damals hattem hohe Militäroffiziere nach dem Militärputsch Sozialisten und Gewerkschaftler entführt, gefoltert und ermordet. Diese Fälle werden nicht durch das von der Militärregierung verabschiedete Amnestiegesetz erfasst, weil es sich um "Entführungsfälle" handelt. Diese juristische Spitzfindigkeit ermöglichte bereits die Festnahme von Ex-General Sergio Arellano Stark, der die "Todeskaravane" geleitet hatte, sowie von vier anderen beteiligten Offizieren. Ex-General Stark trug auch zur Beweisführung gegen Pinochet bei, als er sagte, er habe "auf direkten Befehl" von ihm gehandelt.

Ricardo Lagos, der am kommenden Samstag als erster sozialistischer Präsident seit Ende der Diktatur an die Spitze des Staates treten wird, will "die Bedingungen für einen Gerichtsprozess gegen Pinochet schaffen", versprach er am Wochenende.

Anne Grüttner

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