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Politik: In der Tradition der Taliban

Im Verfassungsentwurf fehlen wichtige Grundrechte

Die neue afghanische Verfassung könnte über weite Strecken auch von den Taliban verfasst worden sein – das kritisierten afghanische Menschenrechtsgruppen und Frauenrechtlerinnen schon zu Jahresbeginn. Der Verfassungsausschuss hat nun Interimspräsident Hamid Karsai den Entwurf für ein Grundgesetz vorlegt: Das Papier ist ein Mix aus Artikeln der 1964 unter der Monarchie angenommenen Verfassung und aus Bestandteilen der Scharia, dem kanonischen islamischen Recht. Staatsziel, so der Leiter des Gremiums, Vizepräsident Nayimatullah Schachrani, sei eine „islamische Demokratie“. Der Akzent liegt dabei eindeutig auf dem Adjektiv.

Die Trennung von Staat und Religion steht ebenso wenig zur Diskussion wie bürgerliche Grundrechte und -freiheiten, wie sie die konstitutionelle Monarchie zumindest formell garantiert hatte. Paragrafen zu Presse- und Meinungsfreiheit oder zu politischen Parteien fehlen in dem Entwurf ebenso wie ein Artikel, der Frauen gleiche Rechte einräumt. Darauf hatten vor allem die UN gedrängt.

Weder demokratisch noch islamisch ist auch die Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Exekutive: Geplant sind ein starker Präsident und ein mehr oder minder machtloser Premier sowie ein ebensolches Parlament. Ein Konstrukt, das der multiethnischen afghanischen Gesellschaft, in der zudem mehrere Richtungen des Islam miteinander koexistieren müssen, in keiner Weise Rechnung trägt. Eine straffe Machtvertikale funktionierte am Hindukusch bisher nur als konstitutionelle Monarchie und lediglich bei sehr weitherziger Auslegung des Begriffes „Zentralregierung“.

Karsai hat seine Kandidatur bei den für Sommer 2004 geplanten Wahlen von der Zustimmung zur neuen Verfassung abhängig gemacht. Die soll im Oktober auf einer Großen Ratsversammlung verabschiedet werden. Zunächst soll jedoch ein Ausschuss aus 30 Professoren, Stammes- und religiösen Führern den Entwurf begutachten, der dann öffentlich diskutiert wird. Die Menschenrechtskommission und das Frauenministerium fordern bereits substanzielle Nachbesserungen: Gleiche Rechte für beide Geschlechter, einschließlich gleicher Bildungschancen, und eine Anhebung des Mindestalters für Heiraten von Mädchen. Frauenministerin Habiba Sarabi nannte den Status der afghanischen Frauen „zutiefst Besorgnis erregend“.

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