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Türkische Militärfahrzeuge in der Nähe der türkisch-syrischen Grenze. Die Lage spitzt sich zu.

© AFP

Die Angst vor Syriens Kurden: In der Türkei wird der Ruf nach einem Einmarsch lauter

In Norden Syrien bekämpfen Kurden islamistische Rebellen, eine Grenzstadt wurde bereits eingenommen. In der Türkei wächst indessen die Angst vor einem Erstarken der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK durch die Erfolge in Syrien. Die Türkei betrachtet die Lage in Syrien mit Geduld, aber wie lange noch?

Ein teurer Krieg ohne Erfolgsgarantie: So sieht das US-Militär die Situation in Syrien. Generalstabschef Martin Dempsey listete in einem Brief an den Senat in Washington deshalb nun fünf Optionen für ein Eingreifen der USA in Syrien auf, wo inzwischen fast 100 000 Menschen bei Kämpfen zwischen Opposition und Assad-Regierung getötet worden sind: Ausbildungshilfe für syrische Regimegegner, begrenzte Luftangriffe, die Einrichtung einer Flugverbotszone, die Schaffung von Schutzzonen für Opposition und Flüchtlinge innerhalb Syriens sowie eine Militäraktion zur Sicherung der syrischen Chemiewaffen. Alle fünf Möglichkeiten seien „Kriegshandlungen“.

Der Brief des US-Generals dürfte in der türkischen Hauptstadt Ankara sehr genau studiert werden, denn beim amerikanischen Partner Türkei ist das Thema einer Syrien-Intervention seit einigen Tagen wieder hochaktuell. Die Eroberung einer syrischen Stadt an der Grenze zur Türkei durch eine syrische Kurdengruppe mit Verbindungen zur PKK lässt die Alarmglocken schrillen. Die Nationalistenpartei MHP fordert schon die Entsendung der Armee ins Nachbarland.

Im Norden Syriens bekämpfen sich Kurden und islamistische Rebellen – eine weitere Destabilisierung der Region und ein mögliches Vorzeichen einer Zersplitterung des türkischen Nachbarn. Kämpfer der nordsyrischen Kurdenpartei PYD bauen entlang der 900 Kilometer langen Grenze zur Türkei ihren Einfluss immer weiter aus. Die Einnahme der Grenzstadt Ras al Ayn durch die Kurden nach Gefechten gegen islamistische Kämpfer vergangene Woche war der jüngste Beweis für die Entwicklung. Türkei und USA sehen die PYD als Syrien-Ableger der PKK-Kurdenguerilla, die seit 1984 gegen Ankara kämpft. Die Kurden wollten das Machtvakuum in Nordsyrien für separatistische Zwecke nutzen, sorgt sich Ankara.

Eine kurdische Autonomie in Syrien würde die PKK stärken und womöglich auch die zwölf Millionen Kurden in der Türkei auf den Geschmack kommen lassen, befürchtet die Regierung. Die Türkei werde keine „De-facto-Verwaltung“ im Norden Syriens akzeptieren, erklärte der türkische Regierungssprecher Bülent Arinc deshalb. Nationalistenführer Devlet Bahceli, Chef der Rechtspartei MHP, rief die Regierung auf, sie solle klipp und klar verkünden, dass eine kurdische Autonomie in Nordsyrien mit einer türkischen Militärintervention beantwortet werde. Zudem verlangte Bahceli eine militärische Mobilmachung zur Vorbereitung auf diesen Ernstfall.

Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hält sich bisher mit scharfen Tönen zurück. Er hat bei seiner Einschätzung der Lage auch die in den kommenden zwei Jahren anstehenden Kommunal-, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im eigenen Land im Auge; laut Meinungsumfragen lehnen die meisten türkischen Wähler eine Syrien-Intervention ab. Erdogan will deshalb womöglich auf Zeit spielen. Die Türkei betrachte die Lage im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien weiter mit Geduld, sagte der Premier noch vor wenigen Tagen. Doch er fügte dann eine Frage hinzu, die er demonstrativ unbeantwortet ließ: „Aber wie lange noch?“

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