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Politik: In eine andere Liga

Von Armin Lehmann

Vielleicht ist ja Rudi Völler schuld. Heute geht die 42. BundesligaSaison zu Ende, aber das sportliche Geschehen reicht kaum heran an die dramatischen Ereignisse, die der deutsche Fußball seit Völlers Rücktritt als Teamchef erlebte. Keine zwölf Monate ist es her, dass Völlers Abgang ungewollt wie ein dunkles Orakel die Krisenzeit einläutete. Die Schlagzeilen dazu: Hitzfeld gibt DFB einen Korb, Otto Rehhakles bleibt Grieche, Trainerfindungskommission versagt, Basis will Präsidenten stürzen, Vogts macht Klinsmann zum Bundestrainer. Revolution endet in DFB-Doppelspitze, Dortmund vor Bankrott, Schiedsrichter-Skandal erschüttert Deutschland. Ach ja, zudem: Die WM 2006 hat schon begonnen, und der FC Bayern ist wieder Meister.

Lauert eine Botschaft hinter alledem, eine Gemeinsamkeit? Vielleicht die: Nichts von dem verändert die Bundesliga nachhaltig, auch wenn es Veränderung gab. Es ist gut, Jürgen Klinsmann zu haben, der neue Wege geht. Es ist gut, dass der deutsche Fußball seine Unfehlbarkeitsfantasien austräumen musste, dass also der Wettskandal mehr Realitätssinn geschaffen hat. Es ist gut, dass Dortmund als Mahnmal steht für unseriöses Wirtschaften. Aber das Jahr sportlich gesehen?

Für die Liga, nicht für die Nationalmannschaft, war es eine verlorene Saison. Wieder hat kein Team ein europäisches Finale erreicht. Wieder konnte die Liga keinen Qualitätssprung machen. Gerade weil die Bundesliga sportlich auf der Stelle tritt, wird die Neuverhandlung der Fernsehrechte ab der Saison 2006/2007 die eigentliche fundamentale Veränderung bringen. Es beginnt der zweite Versuch einer Kulturrevolution. Vereinfacht ausgedrückt treten an: Kapitalisten gegen Traditionalisten. Es geht um Geld, auch für noch bessere Spieler. Betrachtet man es aber aus Sicht der Bewahrer, geht es um die Zerschlagung der guten, alten Bundesliga und ihre Neubelebung als exklusives Fernsehprodukt. Bisher war der Bundesliga-Fußball trotz der Jahre im Privatfernsehen ein kompakter Fortsetzungsklassiker – meist frei empfangbar. Als vor der Kirch-Krise das Bezahlfernsehen schon einmal versuchte, dieses Produkt zu verändern, ging ein Aufschrei durch das Land. Vom einfachen Fan bis hin zu Politikern aller Parteien wurde gefordert, den Bundesliga-Spieltag nicht zu zerstückeln. Gewarnt wurde auch vor der Demontage des Kulturguts Fußball. Jetzt aber ist die Deutsche Fußball-Liga (DFL) fest entschlossen, mehr Geld mit ihrem beliebten Produkt einzunehmen.

Das, was kommen wird, zeichnet sich deutlich ab: Mehr Geld für die Liga und die Vereine bedeutet mehr Bezahlfernsehen. Mehr Bezahlfernsehen bedeutet: keine frei empfangbare Sportschau mehr um 18 Uhr, sondern Zweitverwertung im Free-TV, im schlimmsten Fall ab 22 Uhr. Mehr Bezahlfernsehen bedeutet auch die Zerstückelung des Spieltages auf mindestens drei Tage und unterschiedliche Anpfiffzeiten am Samstag und Sonntag.

Es wird spannend, denn die Bedürfnisse der Fans und die wirtschaftlichen Zahlen stützen die Kapitalisten. Auch in Deutschland wollen die Fans große Stars sehen, die spielen hier aber nicht. Die 300 Millionen Euro für die DFL aus den Fernseheinnahmen reichen nicht, um mit anderen europäischen Ligen zu konkurrieren. Wer alles haben will, eine ausgeglichene Liga, teure Stars und internationalen Spitzenfußball, der wird sich verabschieden müssen von der guten, alten Zeit. Die Fans werden entscheiden. Vielleicht macht der Fußball aus Deutschland ja doch noch ein Land von Anteilseignern. Die Volksaktie hieße dann Premiere.

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