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Politik: In Frankreich wächst die Kritik an der Geiseldiplomatie

Frankreich hat seine Strategie geändert. „Geduld, Umsicht und Vertrauen“, lautet das neue Motto der Pariser Regierung bei ihren Bemühungen um die Freilassung der beiden seit 17 Tagen im Irak festgehaltenen französischen Journalisten.

Frankreich hat seine Strategie geändert. „Geduld, Umsicht und Vertrauen“, lautet das neue Motto der Pariser Regierung bei ihren Bemühungen um die Freilassung der beiden seit 17 Tagen im Irak festgehaltenen französischen Journalisten. Außenminister Michel Barnier ist von seinem einwöchigen Aufenthalt in der Region zurückgekehrt. Bei seinen Gesprächen mit so genannten „Vermittlern“ – seien es Staats-, Religions- oder Terroristenoberhäupter gewesen – hat er wenig erreicht: Die beiden Reporter sind immer noch in Gefangenschaft der Islamistischen Armee des Irak. Am Montag forderten die Entführer ein Lösegeld in Höhe von fünf Millionen Dollar und stellten ein Ultimatum von 48 Stunden, wie es auf der Website islamic-minbar.com hieß.

Die Berichte über das Schicksal der beiden Geiseln sind inzwischen von den Titelseiten der französischen Medien gewichen. Stattdessen tauchen kritische Fragen auf: Warum ist die Entführung der zwei mit der gefährlichen Region vertrauten Reporter zum nationalen Hauptthema geworden, warum hat das Ereignis ganz Frankreich zu beispiellosen Solidaritätskundgebungen und hektischen Aktivitäten mobilisiert, während das Geiseldrama in Ossetien mit Hunderten Toten offiziell keine Rolle spielt? Die Zeitung „Le Monde“ kritisierte in ihrer Montagsausgabe die „Doppelzüngigkeit und Schizophrenie“ des Präsidenten Jacques Chirac und der ihn umgebenden Diplomaten. Frankreich habe, anders als beispielsweise Polen und die Europäische Kommission, bislang keine Erklärungen von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin zu dem brutalen Vorgehen gefordert. Chirac, so „Le Monde“, spiele mit Putin „Friede, Freude, Eierkuchen“, reklamiere aber, je nach nationalem Interesse, gegenüber anderen Ländern die Einhaltung der Menschenrechte.

Was die von den Entführern der beiden Reporter verlangte Rücknahme des Kopftuchverbotes an staatlichen Schulen angeht, behaupten böse Zungen: Besser hätte es für die französische Regierung nicht laufen können. Die meisten früher im Unterricht verschleierten Mädchen legten an der Schulpforte brav ihr Kopftuch ab, um nicht mit den islamistischen Geiselnehmern in Verbindung gebracht zu werden. Regierungschef Jean-Pierre Raffarin rühmte am Wochenende bereits stolz die „Einheit“ seiner Nation.

Über die innenpolitischen Interessen hinaus könnte Paris auch außenpolitische Stärke demonstrieren wollen. US-Hilfe zur Lösung des Geiselproblems hat die Regierung bisher abgelehnt. Experten vermuten, Frankreich wolle seine guten Beziehungen im Nahen Osten zur Schau stellen und nach einer Freilassung der Geiseln seinen Erfolg feiern.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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