zum Hauptinhalt
Nix zu machen. Die Justiz bleibt beim Tenor ihres Urteils im "Rabauken-Jäger-Fall".

© Oliver Berg/dpa

Justiz: In Mecklenburg sind die Rabauken los

Ein Mann schleift ein totes Reh an der Anhängerkupplung über die Straße. Das Amtsgericht findet, dass der Nordkurier ihn dennoch nicht "Rabauke" nennen darf. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Staatsanwälte sind, anders als es das Klischee nahelegt, oft ganz lässige Typen und seltener solche, die mit Schaum vor dem Mund jedem Hühnerdieb nachstellen. Manche schäumen aber. Solche Exemplare sind jüngst im nördlichen Flachland aufgetaucht. Bei dem, was sie angerichtet haben, sollten sie nicht schäumen, sie sollten sich schämen.

Der "Rabauken-Jäger" schleift ein totes Reh mit dem Auto über die Straße

Angefangen hatte es mit dem Bericht in der Lokalzeitung „Nordkurier“ über einen „Rabauken-Jäger“, der das von ihm erlegte Wild an seinem Auto vertäut und über die Landstraße geschleift hatte, samt Foto der unwaidmännischen Tat. Rabauke ist die Verkleinerungsform des niederdeutschen Rabau, es bedeutet „kleiner Schurke“ und ist für den Lenker des bizarren Gespanns eine verniedlichende Bezeichnung. Trotzdem gab es eine Strafanzeige gegen den Journalisten – wegen Beleidigung und hernach tatsächlich ein entsprechendes Urteil des Amtsgerichts.

Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels. Seine Kolumne "Einspruch" erscheint jeden Sonntag auf den Meinungsseiten.

© Kai-Uwe Heinrich

Unfassbar. Doch nichts gegen das, was folgte. Der Chefredakteur polterte über „Rabauken in Richter-Roben“ und mokierte sich über „einen sich im Gerichtssaal mit Schaum vor dem Mund über die Presse ereifernden Staatsanwalt“. Die Lektüre muss den Betroffenen derart zum Schäumen gebracht haben, dass er die Übersicht verlor: Er stellte einen Strafantrag. Statt die Akte dorthin zu befördern, wo ein solcher Fall hingehört, in den Papierkorb, verfolgte ihn die Staatsanwaltschaft Stralsund zunächst weiter und teilte erst vergangene Woche mit, die „durchaus ehrenrührigen Äußerungen“ seien „im Ergebnis vom Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit geschützt“.

Der Richter stellt ebenfalls Strafantrag wegen Beleidigung

Es wurde spekuliert, hinter dem Verfahren stecke Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU), die mit dem „Nordkurier“ noch eine Rechnung offen habe. Möglich, aber unwahrscheinlich, so dumm, sich in solch plumper Weise angreifbar zu machen, kann eigentlich keine Ministerin sein. Eine plausible Erklärung bietet der Korpsgeist in den Justizbehörden, der die Amtsträger empfindlich reagieren lässt, wenn ihresgleichen Opfer einer – wenn auch nur vermeintlichen – Straftat werden.

Wie auch immer – Staatsanwälte müssen mit Kritik leben können, zumal wenn sie nicht tiefer geht, als ein bestehendes Klischee zu aktivieren. Das Bundesverfassungsgericht hat vor ein paar Jahren klargestellt, dass Staatsanwälte sogar straflos als „durchgeknallt“ bezeichnet werden dürfen, wenn dies als Resümee begründeter Kritik an ihrer Arbeit aufzufassen ist.

Die Journalisten des „Nordkurier“ haben nichts anderes getan, als das verrückte Vorgehen der Behörden als das zu beschreiben, was es ist. Und wenn das Urteil Bestand haben sollte, wonach es einen Mann, der mit seinem Fahrzeug tote Tiere über öffentliches Straßenland schleift, strafbar beleidigt, ihn öffentlich einen Rabauken zu nennen, wäre es genau dies: durchgeknallt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false