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Das ESM-Programm für Athen erhöht die Risiken für Deutschland.

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In welcher Höhe haftet Deutschland?: Neues Griechenland-Paket bringt weitere Milliarden-Risiken

Das deutsche Haftungsrisiko steigt durch die Vereinbarung mit Athen um bis zu 19 Milliarden Euro. Insgesamt sind es damit mindestens 77 Milliarden Euro - manche Ökonomen berechnen noch deutlich mehr.

Wenn am Freitag im Bundestag über das Verhandlungsmandat für das dritte Griechenland-Hilfsprogramm abgestimmt wird, werden wohl wieder einige Unions-Abgeordnete mit Nein stimmen. Darunter Wolfgang Bosbach. Seine Begründung: Mit der neuen Vereinbarung zwischen Athen und den Geldgebern „erhöht sich das schon jetzt enorme Haftungsrisiko der europäischen Steuerzahler noch mehr“. Doch wie hoch ist dieses Haftungsrisiko für Deutschland im Falle eines kompletten Zahlungsausfalls Griechenlands (der mit den neuen Hilfen verhindert werden soll)?
Aktuell ist von einem neuen Geldbedarf Griechenlands in Höhe von mindestens 82 Milliarden Euro für die Zeit bis 2018 auszugehen. Diese Zahl geht auf die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) zurück. Der Internationale Währungsfonds (IWF) kommt in seinen Berechnungen auf 86 Milliarden Euro. Wie auch immer, im Wesentlichen teilt sich diese Summe auf drei Bereiche auf, in denen Finanzbedarf besteht: etwa 36 Milliarden Euro für Kreditrückzahlungen (vor allem an die Hauptgläubiger EZB und IWF), etwa 18 Milliarden für fällige Zinsen, etwa 25 Milliarden für die Rekapitalisierung von Banken. Wären die Verhandlungen in den letzten Monaten nichts ins Stocken geraten und hätte ich die Binnenkrise in Griechenland nicht verschärft, dann wäre die letztere Summe wohl weit geringer. Aber die griechischen Banken haben massive Geldabflüsse zu verzeichnen gehabt, die Zahl fauler Kredite wächst, und der Wert griechischer Staatsanleihen, von denen sie zwangsläufig viele halten müssen, ist zuletzt wieder gesunken.

Beim ESM ist Berlin mit 27 Prozent beteiligt

Da der IWF an den Hilfsmaßnahmen weiter beteiligt sein wird, entfällt ein Teil des Risikos zunächst auf ihn. Wie stark er beteiligt sein wird, war am Dienstag noch nicht klar. Doch könnte die Regierung in Athen bis ins kommende Jahr noch 16 Milliarden aus dem IWF-Topf abrufen, wenn sie die beiden aktuell nicht mehr bedienten Rückzahlungsraten in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro doch noch leistet. Damit läge die Summe, die auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) entfällt, bei 66 bis 70 Milliarden Euro. Deutschland ist mit gut 27 Prozent an diesem Rettungsfonds beteiligt und wäre so mit etwa 19 Milliarden Euro im Risiko.

Doch sind die 82 bis 86 Milliarden Euro eine Nettobetrachtung. Gelingt eine Privatisierung von griechischem Staatsbesitz, könnte das einen Teil der Summe decken. Zudem stehen aus dem zweiten Hilfsprogramm noch gut zehn Milliarden Euro für Bankenrettung zur Verfügung, die bisher nicht zum Einsatz kamen. Das tatsächliche ESM-Haftungsrisiko, das der deutsche Steuerzahler zu tragen hätte, könnte daher um einige Milliarden geringer ausfallen.
Allerdings haftet die Bundesrepublik ja auch schon bei den früheren Programmen. Beim ersten Hilfspaket der Euro-Staaten, das zwar schon abgeschlossen ist, doch irgendwann von den Griechen wieder rückerstattet werden muss, haftet Deutschland mit knapp 29 Prozent - oder 15 Milliarden Euro. Das zweite Hilfsprogramm der Euro-Partner, das Ende Juni endete, weil die Athener Regierung ausstieg, hatte ein Volumen von etwa 142 Milliarden Euro erreicht. Deutschlands Anteil liegt bei 29 Prozent - ergo liegt das Risiko bei 41 Milliarden Euro. Von den Krediten des IWF (der deutsche Kapitalanteil liegt bei etwa sechs Prozent) im Umfang von insgesamt 30 Milliarden Euro müssten bei einem kompletten Zahlungsausfall etwa 1,8 Milliarden Euro abgeschrieben werden.

Es kommt einiges zusammen

Fazit: Zählt man all diese Summen zusammen, baut sich ein Haftungsrisiko von mindestens 77 Milliarden Euro auf, das der deutsche Steuerzahler bei einer griechischen Staatspleite zu tragen hätte. Hinzuzählen müsste man allerdings auch mögliche Verluste, welche die EZB wegen ihrer hohen Bestände an griechischen Staatsanleihen zu tragen hätte und die über einen Ausfall des Bundesbankgewinns indirekt auf den Bundesetat durchschlügen. Und einige Ökonomen wie der Ifo-Direktor Hans-Werner Sinn sehen auch Verlustrisiken aus Finanztransaktionen zwischen den Zentralbanken in Höhe von fast 28 Milliarden Euro, die von Deutschland getragen werden müssten. Akzeptiert man diese Rechnung, dann liegt das deutsche Haftungsrisiko für die diversen Griechenland-Hilfen deutlich über 100 Milliarden Euro - also ein Drittel des jährlichen Bundeshaushalts. Vor 2020 würden laut Bundesfinanzministerium keine Zahlungen auf den Haushalt zukommen, und danach würden etwaige Ausfälle über Jahrzehnte gestreckt, also keineswegs auf einmal fällig.

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