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Politik: „In zwei Monaten ist hier wieder Krieg“

Eine fast machtlose Armee und viel Skepsis: Der Südlibanon nach einer Woche Waffenstillstand

Männerunterhosen flattern auf einer blauen Leine im Wind. In den kleinen Zimmern der Baracken stehen Fenster und Türen weit offen, um bei der feuchten Hitze Durchzug zu schaffen. Nur in einem Zimmer des kleinen Stützpunktes der libanesischen Armee in Tyrus im Südlibanon herrscht hektische Geschäftigkeit: Ausländische Journalisten und Helfer stehen hier an, um einen Passierschein zu beantragen. Denn seit Sonnabend hat die libanesische Armee, sechs Tage nach Kriegsende, zumindest formal wieder die Kontrolle über die Zufahrt zum Südlibanon übernommen. Doch sie soll mehr tun als Passierscheine ausgeben: 15 000 Mann will die libanesische Regierung in den Süden entsenden, um zu verhindern, dass Hisbollah und Israel ihre Provokationen wieder beginnen. Dabei sollen ihnen bis zu 15 000 UN-Soldaten zur Seite stehen.

Doch so weit ist es noch nicht. Auf der Fahrt von der Mittelmeerküste nach Bint Jbeil im Landesinneren, auf den südlichsten Straßen im libanesischen Grenzgebiet, herrscht gespenstische Leere. Christliche Dörfer liegen unversehrt in der Sonne, schiitische Dörfer, zu erkennen an den neu aufgezogenen gelben Hisbollah-Flaggen am Straßenrand, sind schwer zerstört. In der Hisbollah-Hochburg Bint Jbeil, der größten Stadt im äußersten Süden, nur etwa sechs Kilometer von der israelischen Grenze entfernt, steht kaum noch ein Stein auf dem anderen. Auf dem ehemaligen Marktplatz, den nur noch Häuserruinen säumen, stehen die letzten Trauergäste. 19 Kämpfer haben sie gerade beerdigt. „Nein, die libanesische Armee hat sich hier noch nicht blicken lassen“, sagt Hassan Jumah, ein 36-jähriger Busfahrer. „Natürlich ist die Armee willkommen, aber sie muss Widerstand leisten gegen israelische Angriffe wie die Hisbollah.“ Doch das kann sie nicht, denn ihre etwa 60 000 Mann sind eher als Polizisten ausgebildet und verfügen nur über größtenteils sowjetische leichte Panzer. Ebenso wenig kann die als Symbol nationaler Einheit durchaus respektierte Truppe die Entwaffnung der Hisbollah durchsetzen. Der bisherige Deal lautet daher, dass Hisbollah ihre Waffen wie bisher versteckt. Nur wenn sie öffentlich getragen werden, darf die Armee sie konfiszieren. „Welche Waffen, sehen Sie irgendwelche Kämpfer oder Waffen?“, fragt ein älterer Mann. Die Hisbollah sei „unsichtbar“. Dieses „Wunder“ habe auch Israel schmerzlich begreifen müssen.

Wenige Kilometer weiter nördlich, in dem Dorf Trebin, ist dafür die libanesische Armee endlich sichtbar. Zwölf Panzerfahrzeuge stehen vor dem leicht beschädigten Regierungskrankenhaus. Auskünfte darf der Kommandant nicht geben. Der Tankwart an der Tankstelle schräg gegenüber freut sich über die Ankunft der Truppen in dem Dorf, dessen schiitische Bevölkerung ihre Sympathien auf die beiden schiitischen Organisationen Amal und Hisbollah verteilt. „Die Armee ist wenigstens zu sehen, das wirkt beruhigend“, sagt der alte, fast zahnlose Mann an der Zapfsäule. „Von der Hisbollah sieht man immer nur die Flaggen.“ Dass die Armee einen neuen Krieg verhindern kann, glaubt der 75-Jährige nicht. Internationale Truppen seien besser – „wenn sie uns vor Israel schützen“.

Doch die Aufstockung der 2000 Mann der Unifil- Truppen will nicht recht vorangehen. Eben weil sie nicht genau weiß, wen sie wie beschützen soll und was genau sie dafür tun darf. Oberst Jacques Colleville, der französische Verbindungsoffizier der Unifil, fasst deren bisherige Arbeit so zusammen: „Beobachtung, Kontrolle, Berichte. Auf das Geschehen vor Ort haben wir kaum Einfluss.“ Die wichtigste Arbeit sei jetzt die Koordination zwischen der israelischen und der libanesischen Armee. Die UN agieren als Puffer, damit beide nicht aufeinanderstoßen.

Am anderen Ende der nach Norden und Beirut führenden Küstenstraße arbeiten die Libanesen daran, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Am Straßenrand stehen 12 Militärlaster, darauf etwa 150 Soldaten. Zusammengerollte Matratzen und ein hölzernes Wachhaus, dessen rot-weiß-grüne Farbe bereits abblättert, werden noch festgezurrt. Ob der Einsatzbefehl Richtung Süden noch kommt, ist an diesem Abend jedoch ungewiss. Nach der israelischen Kommandoaktion in der nördlichen Bekaa-Ebene Montagnacht droht der Libanon, die Truppenentsendung zu stoppen. „Spätestens in zwei Monaten herrscht hier wieder Krieg“, hatte am Morgen ein Soldat in der Kaserne von Tyrus den Journalisten zugeflüstert.

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