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Politik: In Zwietracht vereint

Die polnischen Regierungsparteien scheitern damit, das restriktive Abtreibungsrecht weiter zu verschärfen

Im polnischen Parlament hat der Teufel die Hand im Spiel. Für Tadeusz Rydzyk steht das inzwischen fest. Dieser Teufel, so der Chef des erzkatholischen und rechtsnationalen Radiosenders Radio Maryja, habe Zwietracht gesät unter den Politikern. Das sei der Grund, weshalb keine Mehrheit im Sejm für die Änderung der Verfassung zustande gekommen sei. Neu geregelt werden sollte das Abtreibungsrecht in Polen, das schon heute zu den strengsten in Europa zählt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nur nach einer Vergewaltigung, bei Gefahr für das Leben der Mutter oder bei einer schweren Schädigung des Fötus erlaubt. Nach dem Willen vieler Politiker sollte es noch weiter verschärft werden, manche fordern sogar ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.

Insgesamt fünf verschiedene Anträge lagen den Parlamentariern am Freitagabend zur Abstimmung vor. Sie alle sollten den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an in der polnischen Verfassung festschreiben. Doch am Ende erhielt keiner davon die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Dabei hatte sich Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski noch vor der fünften und damit letzten Abstimmung in einem fast schon flehentlichen Appell an die Abgeordneten gewandt, „denen am Schutz des Lebens liegt“. Der Premier strebte kein Verbot der Abtreibung an, wollte aber die Verfassung so verändern, dass eine Liberalisierung des Rechtes in absehbarer Zukunft kaum mehr möglich gewesen wäre. Doch der Regierungschef drang mit seinem Appell nicht durch, und so bleibt nun alles, wie es war.

Nach der Abstimmung saß Ministerpräsident Kaczynski schließlich minutenlang mit starrem Blick auf der Regierungsbank. „Das ist eine Niederlage in einer Angelegenheit, die mir sehr wichtig war“, kommentierte er das Ergebnis. Dann deutete er noch etwas von einem „hässlichen politischen Spiel“ an – womit er wohl nicht meinte, dass die rechtsnationale Regierungspartei LPR und Radio Maryja in ihrer Wochen dauernden Kampagne Angriffe auf ihre politischen Gegner führten, die bisweilen weit unterhalb der Gürtellinie lagen.

Ein Politiker wird die Konsequenzen aus der Niederlage ziehen. Parlamentspräsident Marek Jurek will sein Amt niederlegen und seine Partei verlassen. Er ist einer der profiliertesten Politiker, zählt zum konservativen Flügel der Regierungspartei PiS und war einer der Hauptstreiter für das Verbot von Abtreibungen. Er werde bei der kommenden Sitzung des Sejm seinen Rücktritt erklären, sagte Jurek.

Polnische Frauenrechtlerinnen reagierten nach der Abstimmung hingegen mit Erleichterung. „Das ist ein Sieg für das, was von der polnischen Demokratie übrig ist, und der Anfang einer Zivilgesellschaft in Polen“, sagte Katarzyna Bratkowska von der Frauenorganisation „Ich entscheide für mich“.

Knut Krohn[Warschau]

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