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Die Bahn fährt in Berlin, außer es schneit so richtig. Für eine winterfeste Infrastruktur fehlen die finanziellen Mittel.

© dpa

Infrastruktur in Berlin: Die Berliner brauchen eine funktionierende Stadt

Berlin lebt von der Substanz, für die Modernisierung der Infrastruktur fehlt Geld - sie muss Chefsache werden. Auch um darauf aufmerksam zu machen, startet der Tagesspiegel eine neue Serie. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Schienenbrüche auf der Stadtbahn, Signaldefekte im Regionalverkehr, Staus vor der Behelfsbrücke über die Havel nach Spandau – alles Meldungen dieser Woche. Auch diese: Beim maroden Fichtenberg-Gymnasium in Steglitz müssen die Schüler vor herabfallendem Putz geschützt werden. Einen Termin für die Sanierung des Gebäudes, das mit seinem rohen Mauerwerk an bitterste Nachkriegsmangelzeiten erinnert, gibt es nicht. Dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf stehen jährlich ganze acht Millionen Euro für den Unterhalt aller öffentlichen Gebäude im Bezirk zur Verfügung, darunter sind 62 Schulen. Wie soll das gehen?

Berlins Infrastruktur – ein Drama mit Ansage. Die Hardware der Stadt ist ein Vermögenswert, der seit vielen Jahren in unverantwortlicher Weise auf Verschleiß gefahren wird. Alle Bezirke zehren von der Substanz; für Schulneubauten etwa ist in der Finanzplanung bis 2018 überhaupt kein Geld eingestellt. Dabei versprach die rot-schwarze Senatskoalition 2011 in der Regierungserklärung, Berlin solle die Stadt mit der europaweit modernsten Infrastruktur werden. Vereinbart wurde von SPD und CDU auch ein Zukunftsfonds für Investitionen – ab 2016. Doch von den jährlich 100 Millionen Euro sollen auch Investitionen in soziale Infrastruktur bezahlt werden. Man kann sich vorstellen, was da für dringende Sanierungen bleibt.

Infrastruktur muss Chefsache sein

Kaputte Brücken, defekte Straßen, marode Schulen und heruntergekommene öffentliche Gebäude – das muss Chefsache sein. Bauen, Verkehr, Stadtentwicklung und Umwelt sind die Themen, die über die Zukunft der Stadt entscheiden und die der künftige Regierende Bürgermeister Michael Müller als Infrastruktursenator seit 2011 verantwortet hat. Auch sein Nachfolger Andreas Geisel als Stadtentwicklungssenator kennt als derzeitiger Bürgermeister in Lichtenberg die Nöte der Bezirke aus erster Hand.

Die Berliner haben einen Anspruch darauf, in einer funktionierenden Stadt zu leben, wo die Beton-Hardware ebenso gepflegt wird wie die Software einer dienstleistungsorientierten Behörde. Doch die Verwaltungen sind schon überfordert, Baustellen so zu koordinieren, dass eine Straße nicht mehrfach hintereinander aufgerissen werden muss. Warum es andere Städte schaffen, Straßenbaustellen im Drei-Schicht-Betrieb abzuarbeiten, um Engpässe möglichst zügig zu beseitigen, ist ebenfalls eine Frage wert. Ohne den Bund, der als Bauherr vom Humboldt-Forum über Staatsoper und Stadtring-Verlängerung bis zu den Ministerien-Neubauten hier viel Geld verbaut, sähe die Bilanz noch düsterer aus.

Das S-Bahn-Chaos ist Berlin noch in schlechter Erinnerung

Der Tagesspiegel wird in der Serie „Wie funktioniert die Stadt“ neun beeindruckend komplexe Infrastruktursysteme vorstellen. Ihr Funktionieren ist zentral wichtig für Berlin – von der S-Bahn bis zur Stromerzeugung. Die Serie ist auch ein Zwischenruf, um die politische Aufmerksamkeit auf diesen Bereich der Daseinsvorsorge zu lenken. Noch kann Berlin stolz darauf sein, eines der attraktivsten Nahverkehrssysteme der Welt zu haben, dessen Nutzerzahlen stetig steigen. Aber auch bei Tram und U-Bahn gibt es einen hohen Modernisierungsbedarf. Das S-Bahn-Chaos vor fünf Jahren hat gezeigt, dass es lange dauert, bis ein System kollabiert, aber dass es dann unendlich schwer und teuer ist, die Versäumnisse zu heilen. Das gilt im Großen wie im Kleinen - von der Stadtautobahn bis zum Putz des Gymnasiums.

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