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Innenminister Friedrich: Braunen Sumpf austrocknen

Die Bundesregierung will die Opferfamilien des Neonazi-Terrors mit je 10 000 Euro entschädigen. Unterdessen gibt es Hinweise, dass die in Heilbronn ermordete Polizistin die Täter gekannt haben könnte.

Von
  • Frank Jansen
  • Antje Sirleschtov

Berlin - Der Fall der rechtsextremen Zwickauer Terrorgruppe weitet sich aus. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprach am Montag von „circa einem Dutzend Verdächtiger und Beschuldigter“. Es gebe „immer neue Hinweise und Erkenntnisse“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeite bereits mit 50, das Bundeskriminalamt mit mehr als 200 Mitarbeitern an der Aufklärung. „Dieser Sumpf muss ausgetrocknet werden“, sagte Friedrich. Der Minister bestätigte Hinweise, wonach die Polizistin Michele Kiesewetter im Jahr 2007 in Heilbronn nicht zufällig von den Neonazis getötet wurde. Möglicherweise handele es sich um eine Beziehungstat, da es eine Verbindung zwischen Mörder und Opfer gegeben habe. Unterdessen wurden auch neue Details zum Ableben der mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe M. und Uwe B. bekannt: Den Ermittlungsbehörden zufolge hatte M. seinen Komplizen erschossen, bevor er das Wohnmobil in Brand setzte und sich dann selbst richtete. Das habe die Obduktion der Leichen ergeben, bei der nur in M.’s Lunge Rauchpartikel festgestellt wurden.

Nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestags sagte dessen Vorsitzender, Wolfgang Bosbach (CDU), eine Reihe von Taten der Terrorgruppe hätten möglicherweise verhindert werden können. Es habe eine „Fülle von Fehleinschätzungen“ und ein Unterlassen von „unbedingt notwendigen Handlungen“ gegeben. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, hatte nach Teilnehmerangaben in der Sitzung eine „Niederlage der Sicherheitsbehörden“ eingeräumt. Die Bundesregierung erwägt nun eine Entschädigung von rund 10 000 Euro für die einzelnen Familienangehörigen der Neonazi-Mordopfer.

Wegen zahlreicher Informationspannen in der Vergangenheit will Innenminister Friedrich Kompetenzen der Landesämter an den Bundesverfassungsschutz übertragen lassen. Bosbach sprach sich zudem für ein länderübergreifendes Zusammenlegen einzelner Verfassungsschutzämter aus. Die Innenminister von Sachsen, Markus Ulbig (CDU), und Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), lehnen das ab. Caffier sagte dem Tagesspiegel: „Ich halte den Vorschlag über eine Fusion der Landesverfassungsschutzämter für unsachlich und ungeeignet.“

Der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU), kündigte an, mehrere Fälle mutmaßlich rechtsextremer Tötungsverbrechen prüfen zu lassen, die in seinem Land bislang nicht als politisch motivierte Straftaten eingestuft werden. „Überall da, wo der Verdacht besteht, dass es einen rechtsextremen Hintergrund geben könnte, müssen wir die Fälle untersuchen“, sagte Stahlknecht dieser Zeitung. Es dürfe „nichts unter den Teppich gekehrt werden, das ist sich der Rechtsstaat schuldig“. Stahlknecht reagierte damit auf die unter anderem vom Tagesspiegel recherchierte Liste mit bundesweit 138 Todesopfern rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Bundesregierung und Polizei nennen bislang lediglich 48 Tote. In beiden Zahlen sind die zehn Morde, die die drei Jenaer Terroristen verübt haben sollen, noch nicht enthalten.

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