zum Hauptinhalt
Schäuble

© dpa

Innere Sicherheit: Der Minister und sein Recht

In der SPD werden die Zweifel der Opposition an Bundesinnenminister Schäuble geteilt – doch der bleibt ungerührt.

Berlin - Ob dieser Innenminister noch eine Mehrheit hat? Wenn man den SPD-Abgeordneten Klaus Uwe Benneter reden hört, dann können einem schon Zweifel kommen am Rückhalt für Wolfgang Schäuble, zumindest was den roten Teil der großen Koalition angeht. Was wiederum die Frage aufwirft, in welchem Stadium der Zerrüttung sich diese Koalition eigentlich befindet. Es ist 12 Uhr 30 im Bundestag, und im Plenum debattieren die Abgeordneten auf Antrag der Grünen seit einer halben Stunde über „Äußerungen des Bundesinnenministers zu angeblich anstehenden atomaren Anschlägen“ – Äußerungen, die den SPD-Abgeordneten Benneter nun in aller Öffentlichkeit, am Rednerpult des Parlaments, an Schäubles Geisteszustand zweifeln lassen: „Das ist verrückt, absurd und abwegig!“

Die Sätze, die Benneter und seine SPD, aber auch Grüne, FDP und Linkspartei seit Tagen in Rage versetzen, fielen am Sonntag in einem Zeitungsinterview. Darin referierte Schäuble die Überzeugung vieler Sicherheitsexperten, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis es zu einem Terroranschlag mit nuklearem Material komme. Er rufe aber zur Gelassenheit auf: „Es hat keinen Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit auch noch verderben, weil wir uns vorher schon in eine Weltuntergangsstimmung versetzen.“

Ein Innenminister, der den Angriff mit einer schmutzigen Bombe für unausweichlich hält und dies auch noch öffentlich kundtut – in den Augen der Opposition ein Skandal. FDP und Grüne sehen darin den Versuch, Ängste in der Bevölkerung zu schüren, um so den Druck auf die SPD zu erhöhen, einer drastischen Ausdehnung der Befugnisse des Staates im Kampf gegen den Terror zuzustimmen. Im Grund, so die Befürchtung, wolle Schäuble den Rechtsstaat zu einem Präventivstaat umbauen.

Viele in der SPD sehen das genauso, können aber nicht so weit gehen wie Wolfgang Wieland. Der Innenexperte der Grünen, wirft Schäuble im Bundestag vor, einen „Krieg gegen den gesamten Rechtsstaat“ zu führen und verlangt den Rücktritt: „Er ist als Verfassungsminister nicht mehr tragbar.“

Es wird für einen Moment ganz still im Plenum, als Schäuble seinen Rollstuhl ans Pult steuert, um Wieland zu antworten. Wer seine Äußerungen gelesen habe, werde „Mühe haben“, Wielands Vorwürfe nachzuvollziehen, beginnt Schäuble. Als Beleg für die Lauterkeit seiner Motive verweist er auf den Chef der UN-Waffenkontrolleure, Mohammed al Baradei, der in einem Interview ebenfalls große Sorgen vor einem nuklearen Anschlag geäußert hatte. Noch gebe es „keine konkreten Hinweise“ auf einen solchen Angriff, räumt der Minister ein. Und doch sei er die größte Sorge der Sicherheitsexperten. „Wir sind bedroht. Das ist die Wahrheit Und wir sollten diese Wahrheit nicht verschweigen“, sagt Schäuble und verweist auf den „mündigen Bürger“. Schäuble wirkt an diesem Donnerstagmittag im Plenum des Bundestages nicht so, als gehe im die Kritik besonders nahe. Seine Klage über Diffamierung – er werde dargestellt, als wolle er die Verfassung abschaffen, oder sei geisteskrank – klingt eher routiniert. Schäuble kommt dann auch schnell auf die geplante Online-Durchsuchung zu sprechen. Es sei die Pflicht der Politik, den beschwörenden Bitten der Bundesanwaltschaft und dem Bundeskriminalamt zu entsprechen, zum Schutz der Bürger. Als Schäuble endet, rührt sich in den Reihen der SPD-Fraktion keine Hand zum Applaus.

Die Sozialdemokraten gehen im Plenum auf größtmögliche Distanz. Es ist nicht nur Benneter, der seinem Unmut über Schäubles wiederholte Terrorwarnungen – „die Ängstigung der Gesellschaft ist nicht die Aufgabe eines Bundesinnenministers!“ – Luft macht. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Fritz Rudolf Körper kleidet seinen Ärger in einen „herzlichen Rat“ an den lieben Herrn Schäuble: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false