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Innere Sicherheit: Piloten wollen Jungs Abschussbefehl nicht folgen

Bundesverteidigungsminister Jung will von Terroristen entführte Verkehrsflugzeuge notfalls auch ohne gesetzliche Grundlage abschießen lassen. "Machen wir nicht", sagen Jetpiloten. "Müsst ihr aber", erwidert das Ministerium.

Im Falle eines von Terroristen als fliegende Bombe missbrauchten Passagierflugzeugs dürften Bundeswehrpiloten nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums einen Abschussbefehl trotz unklarer Rechtslage nicht verweigern. Es seien Situationen denkbar, die eine Berufung auf den übergesetzlichen Notstand ermöglichten und erforderten, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Das sei verfassungsrechtlich anerkannt, solange es keine klare Regelung im Grundgesetz gebe.

Auf die Frage, ob Piloten den Befehl nicht verweigern dürften, sagte der Sprecher, wenn es einen übergesetzlichen Notstand gebe und ein entsprechender Befehl erteilt würde, wäre das richtig.

Der Verband der Jetpiloten innerhalb der Bundeswehr kritisierte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) für seine Äußerungen zum Abschussbefehl. Das komme einer "Aufforderung zur Erfüllung eines rechtswidrigen Befehls gleich", sagte Thomas Wassmann, Vorsitzender des Verbandes der Besatzungen strahlgetriebener Kampfflugzeuge der Bundeswehr (VBSK), der "Leipziger Volkszeitung". "Ich kann den Piloten nur empfehlen, in einem solchen Fall dem Befehl des Ministers nicht zu folgen", sagte Wassmann. Es dürfe nicht zu einer Situation kommen, "in der der Minister die politische Verantwortung übernimmt und der Pilot ins Gefängnis wandert". Wassmann sagte, für ihn komme Jungs öffentliche Festlegung völlig überraschend.

Wehrbeauftragter Robbe: Piloten in der Bredouille

Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) sieht die Piloten in der Bredouille. Die Soldaten müssten in solchen Fällen einen "ganz klaren und eindeutigen Rechtsrahmen" erhalten. Die Politik müsse den Piloten klar sagen, "was sie dürfen und was sie nicht dürfen", sagte Robbe. Für ihn sei im Übrigen die Rechtslage nach der Karlsruher Entscheidung geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2006 die Abwägung "Leben gegen Leben" als Verstoß gegen das Grundgesetz verboten.

"Wir haben eine Verfassungsgerichtsentscheidung, die uns solcher Diskussionen völlig enthebt", ergänzte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Daher sei dazu nichts zu sagen, "außer auf die geltende Verfassungslage hinzuweisen, die seine (Jungs) Aussage nicht deckt".

Jung: "Ich argumentiere auf der Basis des Bundesverfassungsgerichts"

Jung verteidigte heute seinen Vorstoß: "Ich argumentiere auf der Basis des Bundesverfassungsgerichts", erklärte er am Rande des Europäischen Verteidigungskongresses in Berlin. Den Koalitionspartner SPD forderte er in dieser Frage zum Konsens auf.

Für solche Bedrohungen müsse es eine verfassungsrechtliche Klarstellung geben. "Bis dahin gilt das Recht des übergesetzlichen Notstandes", betonte Jung. Zur Verantwortung der Kampfpiloten der Bundeswehr sagte der Verteidigungsminister: "Gehen Sie davon aus, dass das alles besprochen ist".

Rücktrittsforderungen von Grünen und FDP

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer legte Jung wegen seiner Äußerungen den Rücktritt nahe. Er sei "fassungslos, wie der Minister mit der Verfassung umgeht", sagte er dem Nachrichtensender n-tv. Das Bundesverfassungsgericht habe sich mit dieser Frage auseinandergesetzt und hier eine ganz klare Entscheidung getroffen. Wenn jetzt der Minister so tue, als gehe ihn das nichts an, sei das "schlicht bodenlos". Ein solcher Minister könne keine Verantwortung tragen. "Der muss weg."

Auch die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnete Jungs Ankündigung als "nicht hinnehmbar". "Wenn Franz Josef Jung seine unsäglichen Äußerungen nicht zurücknimmt, ist er für mich als Minister nicht mehr tragbar", sagte die bayerische FDP-Chefin der Münchner "Abendzeitung". (mit ddp/dpa/AFP)

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