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Politik: Integrieren bis zur Selbstaufgabe

DIE CDU UND HOHMANN

Von Hermann Rudolph

Fraktionsausschlüsse sind Notoperationen. Der Entschluss der Partei führung der CDU und der Unionsfraktion, den Fall Hohmann mit dieser raren und rabiaten Prozedur zu beenden, ist denn auch nur zum einen Teil das Ergebnis der Einsicht in die Dimensionen der Affäre. Zum anderen ist er von der Erkenntnis erzwungen worden, dass dieser Fall und der Sturm, den er ausgelöst hat, die Union zu überrollen drohen. Zunehmend sah sich die Partei mit der Gefahr konfrontiert, dass sich alle Versuche, den Bruch mit Hohmann zu vermeiden, gegen sie wendeten. Sie wurden zu Belegen für die Führungsschwäche der Vorsitzenden, wenn nicht gar für klammheimliche Sympathie mit dem hessischen Abgeordneten in manchen Unionsquartieren. Die Erregung über den Hinterbänkler war dabei, sich in Zweifel an der Haltung der Union selbst zu verwandeln. Sie sammelten sich in der Frage: Wie hält es die Union mit ihrem konservativen und rechten Rand?

Nicht immer – um es vorsichtig auszudrücken – ist diese Frage von ganz reinen Motiven gespeist, und nicht jeder, der sie stellt, hat die Stabilität unseres politischen Systems im Auge. Mancher mag auch nach ihr greifen, um die Union in die rechte Ecke zu stellen. Aber in der Sache ist die Frage berechtigt. Es gehört zum politischen Katechismus der Bundesrepublik, dass die demokratischen Volksparteien die jeweiligen Ränder einbinden sollen – die SPD den linken, die Union den rechten. Aber zu dieser Frage gehört jene andere, die der Fall Hohmann aufwirft: die nach den Grenzen der Integration. Die Proteste und Drohungen, die jetzt im Internet-Forum über die Union hereinbrechen, zeigen, wie begründet sie ist.

Das ist ein altes Thema der Politik in der Bundesrepublik. Die Sozialdemokraten haben sich seinerzeit der außerparlamentarischen Linken geöffnet und damit über viele Jahre hinweg schwere interne Auseinandersetzungen eingehandelt. Am Ende stand dennoch die Entstehung einer Protestpartei an ihrer linken Seite, der Grünen. Die Union ist dieser Gefahr entgangen. Sie hat immer darauf geachtet, dass es an ihrem rechten Rand keine Ein- und Abbrüche gab. Die Deutschnationalen, die Stammtische und rechthaberischen Milieus, alle die Gutmenschen von rechts, die es gern gesinnungsfest, christlich-konservativ und stramm hätten – sie konnten sich von ihr akzeptiert fühlen. Die Union hat dafür das Entstehen einer Grauzone in Kauf genommen – Folge ihrer Überzeugung, besser an diesen Haltungen nicht zu rühren. Mag sein, dass sie jetzt den Preis dafür zahlt.

Denn alle diese Positionen kreisten doch um ein Bild von Staat und Gesellschaft, das zwar voller Ressentiments gegen die moderne Zeit sein mochte, aber im politisch-moralischen Konsens der bundesdeutschen Nachkriegswelt verankert war. Das erlaubte, den Zeitgeist ein bischen zu konterkarrieren, also das Nationale demonstrativ vor sich herzutragen, eine rigide Politik der innere Sicherheit zu vertreten und einen restriktiven Kurs in der Ausländerpolitik zu fahren; die Identifikationsfiguren solcher Haltungen waren Köpfe und Temperamente wie Franz Josef Strauß und Alfred Dregger. Eins gehörte nicht dazu: der Antisemitismus und die rabulistische Geschichtsklitterung, mit der Hohmann ihn für die Debatte hoffähig machen wollte. Auch und gerade nicht in der Union.

Gewiss, sie war immer die Volkspartei mit dem größten Magen. In ihm mischten sich christliche, wirtschaftsliberale, soziale und konservative Elemente, zusammengehalten von einer eher vagen, sehr dehnbaren Programmatik. Am rechten Rand bedeutete das die Gefahr des Ausfransens, und dort tauchten ja auch von Zeit zu Zeit Schwund-Fundamentalismen christlich-konservativer Observanz oder im nationalen Gewande auf. Aber bisher sind solche Positionen nicht, wie im Falle Hohmann, umgeschlagen in einen gereizten und bornierten Nationalismus, der den Antisemitismus im Schlepptau nach sich zieht. Das ist neu und schlimm. Dass es möglich wurde, sagt allerdings weniger über die Partei als Ganzes denn über Gefahrenzonen aus, die sich vor einer Volkspartei in Zeiten der Unübersichtlichkeit auftun. Doch eine Integration, die das Profil der Partei erschüttert und ihr die Glaubwürdigkeit nimmt, richtet sich selbst.

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