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Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn

© dpa

Interesse an Einsicht in Stasi-Unterlagen reißt nicht ab: Dem anderen Leben auf der Spur

Noch immer wollen jeden Monat mehr als 5000 Menschen in ihre Stasiakte schauen. Zwar waren es 2012 noch mehr. Aber niemand habe damit gerechnet, dass im Jahr 2013 noch immer so viele Menschen Interesse an ihren Akten bekunden.

Von Matthias Schlegel

Es ist eine Behörde auf Zeit – aber die ist noch nicht abgelaufen: Die Zahl der Anträge bei der Stasiunterlagenbehörde auf persönliche Einsicht in die Stasiakten ist im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr gesunken, liegt aber immer noch auf einem hohen Niveau. Monatlich gingen mehr als 5000 Anträge bei seiner Behörde ein, sagte der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen Roland Jahn dem Tagesspiegel. Bis Anfang Dezember wurden mehr als 60 000 Anträge registriert. Im vergangenen Jahr waren es rund 88 000.

„Es ist ganz normal, dass die Zahl derer, die in ihre eigenen Akten schauen wollen, begrenzt ist. Wir sind ja kein Bäcker, zu dem die Leute jeden Tag kommen und Brot kaufen, weil sie Hunger haben“, sagte Jahn. Mehr als 4000 Anträge seien in diesem Jahr von Angehörigen gekommen, die in die Akten von Verstorbenen schauen wollen. Diese Möglichkeit war mit der jüngsten Novellierung des Stasiunterlagengesetzes geschaffen worden.

Ein Drittel der Antragsteller müsse mit Wartezeiten von mehr als zwei Jahren rechnen

Seit Jahren wird in der Behörde Personal abgebaut. „Hier haben mal 3000 Menschen gearbeitet, jetzt sind es nur noch halb so viele“, sagte Jahn. Aber niemand habe damit gerechnet, dass im Jahr 2013 noch immer so viele Menschen Interesse an ihren Akten bekunden. Überdies gebe es noch immer viele Anfragen von öffentlichen Stellen, etwa bei Überprüfungen für die Besetzung sicherheitsrelevanter Posten. Das seien in diesem Jahr 7381gewesen. Auch im Vorfeld von Ordensverleihungen gibt es von den jeweiligen Behörden Anfragen bei der Jahn-Behörde. Das waren 329 im Jahr 2013.

Wegen der angespannten Personalsituation konnten auch die Wartezeiten bei der Akteneinsicht kaum abgebaut werden. Ein Drittel der Antragsteller müsse mit Wartezeiten von mehr als zwei Jahren rechnen, nämlich jene, bei denen viele Akten vorhanden seien, die dann auch aufwendig datenschutzrechtlich bearbeitet werden müssten, sagte Jahn.

Der Koalitionsvertrag von Schwarz- Rot sieht vor, dass sich eine Expertenkommission mit der Zukunft der Behörde befassen soll. Das hatte sich schon die vorangegangene schwarz-gelbe Regierung vorgenommen, aber nicht eingelöst. Für Jahn geht es dabei um die Zukunft der Aufarbeitung von SED-Unrecht insgesamt. „Der Leitgedanke unserer Arbeit ist: Diktatur begreifen, Demokratie gestalten. Da darf es keinen Schlussstrich geben. Diese Akten müssen für immer offen sein – weil sie uns Antworten geben, auch für die Generation, die nach dem Ende der DDR geboren wurde“, sagte er.

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