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EU-Klimaziele: Merkel freut sich über "Durchbruch"

Bis zum frühen Morgen wurde an dem Text gefeilt, bis die Einigung um sechs Uhr stand. Quasi in letzter Minute verständigte sich der EU-Gipfel auf ehrgeizige und verbindliche Klimaziele - und folgte damit ohne Abstriche der deutschen Kanzlerin.

Brüssel - Überraschend ist vor allem die EU-Einigung bei den erneuerbaren Energien, deren Anteil am Gesamtenergieverbrauch von derzeit gut sechs Prozent auf 20 Prozent in den kommenden Jahren mehr als verdreifacht werden soll. Merkel hatte sich beharrlich dem Wunsch der Franzosen verweigert, ihren Atomstrom unter diese "grüne" Rubrik zu fassen. Dieses Ansinnen hatte vor allem bei den Ländern heftige Reaktionen ausgelöst, die ohne Kernenergie auskommen.

Um Paris entgegenzukommen, das gegenwärtig über 59 Kernkraftwerke verfügt und damit Platz zwei in der Welt nach den USA belegt, soll der Atomstrom nun zumindest in die CO2-Reduzierungsstrategie einfließen. Zufrieden damit sind auch solche Länder wie die Slowakei oder Belgien, die ebenfalls mehr als die Hälfte ihrer Stromproduktion mit Kernkraft bestreiten. Ohne Kernenergie kommen zwölf der 27 EU-Mitgliedsstaaten aus.

Mit dem zusätzlichen Bekenntnis, dass der nationale Energiemix und damit die Nutzung der Kernkraft weiter in nationaler Verantwortung bleiben, hat die deutsche Ratspräsidentschaft einen neuen Atomstreit in der EU verhindert. Die enge Abstimmung zwischen Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, die schon am ersten Beratungstag die Marschlinie absteckten, hat die Einigung "einfacher gemacht".

"Vorreiter" beim Klimaschutz

Während sich die EU-Staaten als "Vorreiter" beim Klimaschutz sehen, denkt Merkel schon weiter. Im Juni kann sie als G8-Präsidentin offensiv US-Präsident George W. Bush entgegentreten und seinen Beitrag zum weltweiten Klimaschutz einfordern. Schließlich stehen die USA mit mehr als sechs Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß 1990 einsam an der internationalen Spitze der Klimasünder. "Es ist wichtig, dass wir den G8-Mitgliedern sagen können, Europa hat sich verpflichtet. Das gibt uns ein Stück Glaubwürdigkeit", betonte Merkel.

Mit dem Hinweis, dass die 20-Prozent-Reduzierung bei internationalen Vereinbarungen um zehn Prozentpunkte aufgestockt werden kann, hat die EU-Ratspräsidentin auch Rückendeckung für Gespräche mit Indien und China, die als neue Umweltverschmutzer von Rang bislang vom Kyoto-Protokoll verschont geblieben sind. Seit den Verhandlungen Mitte der 90er Jahre ist China zum drittgrößten CO2-Produzenten nach den USA und der EU geworden.

Zustimmung zu "Berliner Erklärung"

Und noch eines hat Merkel fast nebenbei auf dem Gipfel geschafft: Die de-facto-Einigung auf eine Fortsetzung des EU-Verfassungsprozesses. Offiziell will Deutschland erst im Juni einen Fahrplan dazu vorlegen, doch kann die "Berliner Erklärung" zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge schon mal die Richtung weisen. Dafür hat Merkel auf dem Frühjahrsgipfel ein einstimmiges Mandat bekommen. Und stillen Beifall der meisten EU-Mitglieder für ihren Aufruf: "Jetzt können wir fundiert an die Arbeit gehen." (Von André Spangenberg, ddp)

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