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Honduras: Wo Kokain vom Himmel fällt

In Honduras ist der Handel mit Kokain seit der politischen Krise aufgeblüht – die Drogenbosse sind den Fahndern weit überlegen.

Eine Szene wie aus einem James- Bond-Film: 18.20 Uhr, Punta de Ocote im Zentrum von Honduras. Ein Kleinflugzeug nähert sich der 4000 Einwohner zählenden ländlichen Siedlung, geht in den Sinkflug über und landet auf der Dorfstraße. Ein junger Mann, der dort gerade mit dem Moped unterwegs ist, wird von den Tragflächen erfasst und stirbt sofort. Zwei Begleiter erleiden schwere Verletzungen. Als sich die Dorfbewohner der Unglücksstelle nähern, schießen die Insassen des Flugzeugs in die Luft, um sie zu vertreiben. Aus dem Nichts tauchen plötzlich ein Dutzend Pick-ups auf, mehrere bewaffnete Männer springen heraus und holen in atemberaubender Geschwindigkeit Pakete aus dem Flieger, zünden ihn an und rasen eingehüllt in eine Staubwolke wieder davon. „Nicht mehr als zehn Minuten hat das Ganze gedauert“, erzählt ein Anwohner, der seinen Tante-Emma-Laden direkt an der Dorfstraße hat.

Als es die Polizei mit ihrem klapprigen Auto aus dem Nachbardorf bis nach Punta de Ocote geschafft hat, sind nur noch Reste des in Kolumbien registrierten Flugzeugs übrig – und ein paar vergessene Pakete mit 25 Kilogramm Kokain. Den Dorfbewohnern geht ein Licht auf, warum gegen 18 Uhr ein paar Ortsfremde Autoreifen entlang der Straße anzündeten – dies waren Signale für die Piloten. Drogenfahnder Rafael Fletes vermutet, dass dem Flugzeug der Treibstoff ausging und deshalb die Notlandung im Dorf improvisiert werden musste. Die Polizei müsse ein viel zu großes Terrain kontrollieren, sei schlecht ausgestattet und machtlos gegen die finanzstarken Kartelle, so Fletes. Die Kleinflugzeuge fliegen normalerweise unter dem Radar hindurch. Sind sie erst einmal gelandet, verschwindet die Ware auf dem Landweg in Windeseile. Die Fahnder haben das Nachsehen in dem dünn besiedelten, hügeligen Land mit seinen porösen Grenzen nach Guatemala, Belize, Nicaragua und El Salvador.

Nicht nur die mangelhafte Ausstattung der Sicherheitskräfte und die grassierende Korruption erschweren den Kampf der Behörden gegen den Drogenhandel. Auch die politische Krise hatte gravierende Folgen. Die Politiker sind seit dem Putsch gegen Präsident Manuel Zelaya im Juni vor allem damit befasst, untereinander abzurechnen. Die Streitkräfte werden dafür abgestellt, die öffentliche Ordnung zu garantieren. Wegen des Umsturzes haben außerdem die USA ihre Anti-Drogen-Hilfe eingefroren.

Auf der Luftwaffenbasis in Tegucigalpa stehen gut ein Dutzend in diesem Jahr beschlagnahmte Flugzeuge der Drogenkuriere Seite an Seite. Das mittelamerikanische Land hat sich zu einer Drehscheibe für den Drogenhandel zwischen Kolumbien und den USA entwickelt, zu einem Knotenpunkt, an dem sich kolumbianische und mexikanische Kartelle die Ware übergeben. Fünf Tonnen wurden 2009 sichergestellt, fünf illegale Landepisten zerstört, ein Dutzend Verdächtige festgenommen.

Das war nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Mehr als 100 Tonnen Kokain werden nach Schätzungen von Experten jährlich durch Honduras geschleust. „Fast täglich landen Flugzeuge auf improvisierten Pisten“, hatte der oberste Drogenfahnder Julian Gonzalez vor kurzem angeprangert. „Und in jüngster Zeit stellen wir fest, dass auch auf privaten Haciendas immer mehr Landepisten ohne Genehmigung gebaut werden.“ Ein heikler Satz, sind doch die Landgüter größtenteils im Besitz der politischen Elite des Landes. Kurz darauf wurde Gonzalez, ein früherer General, von Auftragsmördern erschossen, als er gerade seine Tochter zur Schule brachte.

Auch Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga erhält Personenschutz, nachdem er die Macht der Drogenhändler an den Karibikstränden im Norden angeprangert hatte. Die Flieger werfen Pakete über dem Meer ab, die dann in der Nacht an Land getrieben und von den Familien an der Moskito-Küste aufgesammelt werden. Am nächsten Tag werden sie von Autokonvois abgeholt, schildert der Geistliche. Wer ein Paket verliert, wird ohne Aufhebens exekutiert – samt seiner Familie, um keine Zeugen zu hinterlassen. Die Helfershelfer werden oft mit Drogen bezahlt, was den heimischen Konsum und die Beschaffungskriminalität angekurbelt hat.

„Wenn wir die ganzen beschlagnahmten Flieger benutzen dürften, könnten wir den Luftraum viel besser überwachen“, sinniert ein Oberst, der auf der Luftwaffenbasis in Tegucigalpa Dienst schiebt. Doch das dürfte ein Traum bleiben. Die Flieger sind Beweismaterial und dürfen erst nach langwierigem juristischen Geplänkel enteignet werden. Und selbst das nützt wenig: Es wäre wohl kein Geld da für Kerosin. Auf rund 600 Millionen Dollar veranschlagt der Ende November neu gewählte Präsident Pepe Lobo das Haushaltsloch, das dem bitterarmen Land durch Wirtschaftskrise und nach dem Putsch eingefrorene Entwicklungshilfe entstanden ist.

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