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Politik: Interview: "Die Taliban erwarten politische Zugeständnisse"

Saif Al Islam Gaddafi (29) ist der zweite von vier Söhnen des libyschen Revolutionsführers Muammar Gaddafi undwird in diplomatischen Kreisen als wahrscheinlicher Nachfolger seines Vaters Muammar al Gaddafi angesehen. Vor einigen Monaten haben Ihr Vater und Sie viel zur Befreiung der deutschen Geiseln auf der philippinischen Insel Jolo beigetragen.

Saif Al Islam Gaddafi (29) ist der zweite von vier Söhnen des libyschen Revolutionsführers Muammar Gaddafi undwird in diplomatischen Kreisen als wahrscheinlicher Nachfolger seines Vaters Muammar al Gaddafi angesehen.

Vor einigen Monaten haben Ihr Vater und Sie viel zur Befreiung der deutschen Geiseln auf der philippinischen Insel Jolo beigetragen. Hat Deutschland sich erkenntlich gezeigt?

Die Deutschen zeigen ihre Dankbarkeit klarer als andere Länder, die damals ebenfalls betroffen waren. Ich bin jetzt auf Einladung der Bundesregierung in Berlin. Wir haben damals aber nur Kontakte hergestellt, mehr nicht.

Würden Sie abermals eine solche Vermittlerrolle übernehmen?

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Krieg - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung - Bio-Terrorismus Fotostrecke: Der Krieg in Afghanistan Das ist eine schwere und gefährliche Aufgabe. Der Revolutionführer hat seine Vorschläge in einem Interview mit dem Sender Al Dschasira unterbreitet, das man im Internet nachlesen kann. Er hat eine andere Auffassung der Lage als viele Länder und dort seine Hinweise gegeben.

Libyen wäre also bereit zu vermitteln?

Die Zeit ist schlecht für Vermittlungen. Täglich fallen Bomben. Unsere Stiftung hat die umfangreichste humanitäre Hilfe für das afghanische Volk geleistet. Deshalb haben die Taliban den Revolutionsführer gebeten, bestimmte politische Anliegen zu unterstützen.

Welche?

Darüber kann ich nicht sprechen. Es geht unter anderem um die christlichen Mitarbeiter, die im Gefängnis sitzen.

Die westlichen Mitarbeiter von Shelter-Now?

Unsere humanitäre Hilfe für das afghanische Volk hat unsere Beziehungen zu den Taliban verbessert, insbesondere zu ihrem Außenministerium. Der Taliban-Außenminister hat unsere Stiftung bereits vor dem 11. September gebeten, die Frage der Gefangenen mit Shelter-Now zu klären.

Hat das Bombardement diesen Kontakt unterbrochen?

Nein. Vor einer Woche sind wir zuletzt angesprochen worden.

Was kann der Westen zur Unterstützung tun?

Die Taliban erwarten bestimmte politische Zugeständnisse, aber wir haben darüber noch nicht im Einzelnen gesprochen.

Was wäre Ihrer Meinung nach hilfreich?

Das kann ich nicht sagen.

Werden die Amerikaner mit ihrer Militäraktion in Afghanistan Erfolg haben?

Nicht vor dem nächsten Frühjahr, nicht im Winter. Bedenken Sie die Berge, den Schnee, die Kälte. Auf substanzielle Fortschritte wird man noch lange vergeblich warten. Die Truppen der Taliban sind stärker als die Nordallianz. Es bringt doch keinen Erfolg, mit Bomben so viele Häuser zu zerstören. So viele Menschen, so viele Kinder müssen leiden.

Die Arabische Liga hat Osama bin Laden und seine Darstellung des Kriegs am Wochenende hart kritisiert. Teilen Sie die Kritik?

Wir teilen vor allem die Kritik an den Vereinten Nationen. Auch Libyen war ja ein Opfer des UN-Sicherheitsrats, war neun Jahre lang ein Opfer einer grundlosen Sanktionspolitik. Wer einmal in Verdacht gerät, ist verloren - egal, ob der Verdacht bewiesen ist oder nicht. Weil man Libyen verdächtigte, den Terrorismus zu unterstützen, wurde Libyen sogar militärisch angegriffen - ohne Beweise. Nur auf Grund eines Verdachts wurden unschuldige Menschen getötet. Wir können diese neun Jahre Embargo nicht vergessen. Auch im Irak sterben seit Jahren Kinder wegen einer von den UN gedeckten Sanktionspolitik.

Die Arabische Liga hat am Wochenende Osama bin Laden kritisiert, hat ihm das Recht abgesprochen, im Namen der Moslems zu sprechen und zum Dschihad aufzurufen.

Wer behauptet denn, dass Osama bin Laden im Namen aller Moslems spricht? Da muss man sehr vorsichtig sein. Das gilt auch für die Arabische Liga. Das sind Vertreter einzelner Regierungen, die sich nach Stimmungen richten.

Ihr Vater, der Revolutionsführer, hat direkt nach dem 11. September eine sehr klare Abgrenzung gegenüber dem Terrorismus vorgenommen. Haben die Amerikaner kein Recht, sich gegen diesen Angriff zu wehren?

Nach meiner Ansicht haben sie das Recht - sofern sie hundertprozentig sicher sind. Solche Beweise haben sie bisher nicht vorgelegt. Aber die Gegenseite hat auch das Recht, zu antworten, wenn sie angegriffen wird. Die Araber haben das Recht, sich gegen die Israelis zu wehren. Die Israelis und die Palästinenser fühlen sich beide im Recht. Sie denken, dass sie um ihr Land und um ihr Recht kämpfen. Wer die Macht und die Kraft hat, der kämpft. Israel hat eine enorme Kraft. Präsident Reagan hielt damals Libyen für eine Gefahr. Und er hielt es für sein Recht, Libyen anzugreifen. Als Libyen die Kraft dazu fand, hat es geantwortet. Das ist wie auf dem freien Markt.

Was raten Sie den Amerikanern?

Ich bin kein Sicherheitsberater. Aber sie sollten es vermeiden, Unschuldige anzugreifen und zu töten. Denn das ist eine Provokation für alle Moslems.

Darf Amerika Osama bin Laden verfolgen?

Wenn er schuldig ist: selbstverständlich.

Halten Sie ihn nicht für den Schuldigen?

Ich arbeite nicht für das FBI.

Was sagt denn Ihr Geheimdienst?

Wenn Sie nach meiner persönlichen Meinung fragen: Er ist ein Hauptverdächtiger. Es sieht nach seiner Handschrift aus. Aber wo ist der Beweis?

Welche Chancen hat Deutschland in Libyen?

Die Deutschen können heute alles bekommen, was sie wollen. Sie sind bereits die Nummer zwei nach den Italienern. In letzter Zeit haben wir die größten Erdölprojekte an die Deutschen vergeben. Und da wird noch mehr kommen. Wir streben eine stabile Handelsbeziehung an. Mit den Hermes-Bürgschaften gab es Probleme. Das wollen wir beenden und ein neues Kapitel aufschlagen.

Warum sind die Deutschen ein privilegierter Partner?

Das ist eine historische Beziehung: Deutschland, Italien, Libyen. Die ersten Autos in Libyen waren Volkswagen. Das erste Auto des Führers war ein Volkswagen. Die erste Militärhilfe, die Libyen erhielt, kam 1911 aus Deutschland. Die Deutschen haben immer gut bei uns gearbeitet, ehrlich und effektiv. Mit Amerika, Japan, Frankreich und anderen Staaten gab es immer wieder Probleme, auch mit Italien. Nur bei Deutschland ist das anders. Deshalb streben wir auch weitere Investitionen und ein Investitionsschutzabkommen an.

Treffen Sie hier in Berlin auf politische Vorbehalte?

Die Deutschen sind allgemein zurückhaltend. Aber das ist besser als die übereilten Versprechen anderer Europäer, die nachher nicht gehalten werden.

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