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 Barbara Unmüßig (56) ist seit 2002 Chefin der Heinrich- Böll-Stiftung. Sie verantwortet dort die internationale Arbeit der grünennahen Stiftung.

© Bettina Keller

Exklusiv

Interview: „Ein Arbeitsverbot für kritische Köpfe“

Barbara Unmüßig über die schwierige Lage der Heinrich-Böll-Stiftung am Horn von Afrika.

Warum hat sich die Heinrich-Böll-Stiftung jetzt entschieden, Äthiopien zu verlassen? Der langjährige Präsident Meles Zenawi ist tot. Es könnte doch besser werden, oder?

Die Handlungsspielräume für Oppositionskräfte, für die kritische Zivilgesellschaft haben sich dramatisch verengt. Die Presse- und Meinungsfreiheit wurde eingeschränkt, und das Gesetz, das Nichtregierungsorganisationen (NGO) reguliert, kommt einem Arbeitsverbot für kritische Köpfe gleich. Auch die Stiftung musste sich unter diesem NGO-Gesetz neu registrieren lassen. Wir haben natürlich analysiert, ob es nach dem Tod von Meles Zenawi Veränderungen geben könnte. Aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass nicht damit zu rechnen ist. Ein Beleg dafür ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Addis Abeba erst vor wenigen Tagen, die Bankguthaben der beiden wichtigsten Menschenrechtsorganisationen in Äthiopien weiterhin zu sperren. Es werden fortgesetzt Oppositionelle und Journalisten verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt, auch von der neuen Regierung. Offenbar gibt es in der Regierung die Angst, dass es zu einer Art ethnischen Zerfall kommen oder die muslimische Bevölkerung stärker aufbegehren könnte.

Welche Einschränkungen gibt es konkret?

Wenn eine Regierung von uns und unseren Partnern verlangt, dass wir unsere Arbeitsprogramme und Budgets vorzulegen haben, dass die Behörde sogar eingreifen und Personal suspendieren kann, dann ist eine unabhängige Arbeit nicht mehr möglich. Das NGO-Gesetz markiert einen Höhepunkt politischer Kontrolle und kommt einem politischen Arbeitsverbot einheimischer und externer Akteure gleich. Unter dem Anti-Terror-Gesetz kann inzwischen alles ohne strafrechtlich relevante Beweise verurteilt werden. Die meisten verhafteten Journalisten werden unter dem Antiterrorgesetz abgeurteilt. Die Gerichte sind nicht unabhängig, eine Gewaltenteilung, wie wir sie verstehen, gibt es nicht. Die letzten freien Zeitungen werden zunehmend unter Druck gesetzt oder mussten schließen.

Die deutsche Entwicklungs- und Außenpolitik hat sich den Schutz der Menschenrechte zum Ziel gesetzt. Ist es richtig, Äthiopien weiterhin als politischen und Entwicklungspartner zu halten?

Organisationen wie Human Rights Watch haben eine Vielzahl von Beweisen geliefert, dass auch internationales Entwicklungsgeld vom Regime politisch eingesetzt wird. Entwicklungshilfegeld wird mit nationalen Budgets gemischt und dazu genutzt, politisches Wohlverhalten oder den Eintritt in die Einheitspartei zu „kaufen“. Es ist bemerkenswert, dass die Zahl der Mitglieder der Einheitspartei (EPRDF) von 760 000 vor ein paar Jahren auf 4,5 Millionen gestiegen ist. Ich finde, das sollte der internationalen Gebergemeinschaft schon zu denken geben, denn da findet politischer Missbrauch mit Hilfsgeldern statt. Die internationalen Geber haben zwar vor der Verabschiedung des NGO-Gesetzes lautstark protestiert. Doch dessen Verabschiedung hat zu keinerlei Konsequenzen der Geber geführt.

Warum nicht?

Äthiopien wird als wichtigster Stabilitätsfaktor am Horn von Afrika betrachtet und bleibt weiter ein Liebling aller Geber. Deutschland gibt zwar nur 2,5 Prozent der Mittel, die Äthiopien von außen bekommt. Aber Europa und die internationale Gemeinschaft haben nach dem Arabischen Frühling zugegeben, dass sie in Nordafrika zu lange Stabilität gegen Demokratie ausgespielt haben. Aus meiner Sicht findet das fortgesetzt mit Äthiopien statt. Äthiopien wäre ein Land, bei dem der Westen glaubwürdig dokumentieren könnte: Wir haben verstanden. Man muss auch mal konsequent sein und demokratischen Prinzipien den Vorrang geben.

Eine längere Fassung des Interviews mit Barbara Unmüßig finden Sie auf der Homepage der Heinrich-Böll-Stiftung.

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