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© AFP

Interview: "Es gibt mehr Orte, wo Stabilität herrscht"

Henrietta Holsman Fore, die Chefin der US-Entwicklungsbehörde, sieht Fortschritte bei der Bildung und der Gesundheit in Afghanistan.

Wir Deutschen hören vor allem von Amerikas Kampf in Afghanistan. Was macht die US-Entwicklungsbehörde dort?

Afghanistan ist ein sehr wichtiges Land für uns. Wir haben das größte bilaterale Hilfsprogramm dort. Seit 2001 hat die Regierung rund 31 Milliarden Dollar investiert. Wir folgen dem afghanischen nationalen Entwicklungsprogramm.

Nennen Sie uns ein paar Schwerpunkte.

Priorität hat die Bildung. Unter den Taliban gingen eine Million Kinder zur Schule, das waren Jungen. Jetzt sind es mehr als fünf Millionen Kinder, mehr als ein Drittel davon sind Mädchen. Afghanen, die im Ausland leben, erwähnen immer wieder, wie schön es ist, Kinder zu sehen, die mit Büchern unter dem Arm über die Straße gehen, vor allem Mädchen. Es macht sie sehr stolz, was sich geändert hat. Außerdem ist die Gesundheit wichtig. Heute können 60 bis 80 Prozent der Afghanen zu Fuß eine kleine Klinik erreichen, die Kindersterblichkeit ist um 26 Prozent zurückgegangen. Wir kümmern uns um Mütter und Kinder. Wir haben viele Straßen gebaut, 3000 Kilometer. Das ist wichtig für den Zugang zu Schulen und Kliniken. Wir investieren in die Energie-Infrastruktur, wir fördern Infrastruktur für die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft könnte eine Exportmöglichkeit werden. Wir fördern den privaten Sektor. Wir arbeiten am Rechtssystem mit.

Das hört sich ja tatsächlich so an, als würden die USA derzeit allein ganz Afghanistan erneuern.

Wir versuchen zu helfen. Die deutschen Entwicklungsleistungen sind übrigens sehr gut, auch die einiger anderer europäischer Länder.

Wie hoch ist der Anteil des Engagements für Hilfe im Vergleich zum Militärbudget?

Der Anteil der Hilfe ist geringer. 17,2 Milliarden Dollar gingen in die Sicherheit, 1,3 Milliarden waren Hilfe für Regierung, Rechtssystem und Menschenrechte, 7,7 Milliarden wirtschaftliche und soziale Entwicklung, über 5,7 Milliarden verhandeln wir noch mit dem Kongress. Die Sicherheitslage ist eine Herausforderung. Es gibt Gegenden, da funktioniert es gut, aber es gibt auch Sektoren, wo es wirklich schwer ist, zu arbeiten. Dort gibt es viel Unsicherheit für Nichtregierungsorganisationen und die Zivilgesellschaft.

Die USA engagieren sich vor allem im Süden und Osten, die Sicherheitslage dort ist besonders angespannt. Die Zahl der toten Soldaten liegt inzwischen höher als im Irak. Wie arbeiten Sie dort?

Wir versuchen in Gegenden zu arbeiten, die Hilfe brauchen. Wir sind eine Langzeitverpflichtung eingegangen für die Stabilität in Afghanistan. Die Lage ist schwierig. Wir müssen jeden Tag gucken. An einem Tag gehen wir nicht raus, aber dann gehen wir am nächsten wieder hin. Und wir gehen zusammen mit Afghanen.

Im Frühjahr haben Kollegen von Ihnen in der Region Zabul im Süden geklagt, Hilfsorganisationen würden wegen der Sicherheitslage nicht kommen. Und normalerweise wollen diese Organisationen nicht mit Soldaten zusammen arbeiten, weil sie um ihre Unabhängigkeit besorgt sind. Wie bringen Sie das zusammen?

Die meisten Nichtregierungsorganisationen, mit denen ich geredet habe, haben mir gesagt, es gab eine Zeit, da haben wir eine dicke Linie zwischen Militär und Helfern gezogen. Heute sagen sie: Wir machen das nicht mehr. Wir arbeiten unter Feuer, wir arbeiten überall in Konflikten.

Wir hören jeden Tag, die Sicherheitslage verschlechtert sich. Wie geht es weiter?

Wir sehen die Zukunft optimistischer. Die Regierung hat gute Entwicklungspläne. Es wird in einigen Teilen des Landes Instabilität geben. Wir müssen alle so gut wie möglich zusammenarbeiten. Wir waren vor einiger Zeit in Dschalalabad im Osten. Die Leute dort haben die Wende vollzogen, sie wollen Frieden und ein gesetzmäßiges Leben. Wir müssen deren Hoffnung unterstützen und Wirklichkeit werden lassen.

Wie schätzen Sie die Lage ein?

Es gibt mehr Orte, wo Stabilität herrscht, als Orte, wo Instabilität herrscht.

Das Gespräch führte Ingrid Müller.

Henrietta Holsman Fore (60) ist seit Mai 2007 Chefin der US-Entwicklungsbehörde USAID und der gesamten Auslandshilfe der USA. Bis 2005 war sie Chefin der US-Münzprägerei.

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