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Spahn

© dpa-Zentralbild

Interview: "Es wird teurer"

Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn über Zusatzbeiträge, Einsparungen und Ulla Schmidt.

Die Mehrheit der Deutschen befürchtet, dass sich die Gesundheitsversorgung verschlechtert. Ist ihre Sorge berechtigt?

Nein, wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt. Wir müssen aber aufpassen, dass das so bleibt. Auch der ländliche Raum beispielsweise muss attraktiv bleiben für Ärzte. Die ehrliche Botschaft lautet also: Es wird nicht schlechter werden, aber es wird teurer. Das liegt vor allem an unserer immer älter werdenden Gesellschaft. Außerdem hat der medizinische Fortschritt seinen Preis.

Ihr künftiger Koalitionspartner sagt, der Gesundheitsfonds sei an allem schuld.

Die FDP muss endlich in der Verantwortung ankommen und aufhören, in Überschriften zu denken. Der Fonds hat viel Gutes bewirkt. Vor allem hat er für die richtige Art von Wettbewerb gesorgt. Die Kassen konkurrieren jetzt nicht mehr um junge gesunde Gutverdiener, sondern um die beste Versorgung ihrer Kranken. Aber ohne Zweifel gibt es beim Fonds auch Dinge, die weiterentwickelt werden müssen.

Was zum Beispiel?

Jeder weiß, dass die Begrenzung der Zusatzbeiträge auf ein Prozent des Versicherteneinkommens unpraktikabel ist. Hier muss eine Lösung gefunden werden.

2010 wird es Zusatzbeiträge wohl erstmals flächendeckend geben. Die zahlen allein die Versicherten. Ist das nicht ungerecht?

Es war immer das Ziel, die Gesundheitskosten stärker von den Arbeitskosten zu lösen. Begonnen wurde damit bereits mit der SPD – in Form des bestehenden Sonderbeitrags für die Versicherten in Höhe von 0,9 Prozent. Ich denke, dass es richtig ist, Zusatzbeiträge in die Verantwortung der Versicherten zu geben. Um die Lohnkosten wirklich zu entlasten, müsste man sie aber pauschal erheben. Und die Menschen wissen auch, dass es teurer werden wird. Glauben Sie mir: Viele sind auch bereit, mehr zu zahlen, wenn die Versorgung so gut bleibt wie sie ist.

Ist wenigstens das dann garantiert? Oder müssen die Versicherten auch noch mit Leistungskürzungen rechnen?

Bevor wir über Leistungskürzungen nachdenken, sollten wir alle Einsparpotenziale nutzen, die es gibt. Das sind eine Menge. Vor allem im Arzneimittelbereich müssen wir schauen, was noch geht. Man darf hier die Schraube aber auch nicht überdrehen. Schließlich wollen wir die Pharmaindustrie in Deutschland halten und nicht unsere Arznei aus Indien importieren. Wichtig wäre auch eine bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. Den Effekt von Leistungskürzungen dagegen halte ich für überbewertet. Sie sind mit großer emotionaler Aufregung verbunden, bringen aber gar nichts hinsichtlich der großen Zukunftsherausforderungen Demografie und Fortschritt. Ähnlich ist es bei den Zuzahlungen. Hier ist höchstens zu prüfen, ob und wie sie ihre erhoffte Steuerungswirkung auch entfalten.

Bei der Praxisgebühr wird das bezweifelt. Von ihrer Abschaffung redet aber keiner.

Die Praxisgebühr hat sich, so wie sie jetzt ist, bewährt.

Braucht es höhere Steuerzuschüsse?

Es ist richtig, mit Steuerzuschüssen die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben im System abzudecken, vor allem die Kosten der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern. Und laut Gesetz wird der Zuschuss ja auf insgesamt 14 Milliarden Euro im Jahr 2012 steigen. In der jetzigen Haushaltslage ist das schon eine ziemlich große Herausforderung.

Der FDP gefallen die Zuschüsse gar nicht...

Wer gleichzeitig Steuerzuschüsse streichen, Beitragssätze senken und allen Leistungserbringern alles versprechen will, muss mir mal erklären, wie das gehen soll. Nur Versprechungen zu machen, das funktioniert nicht mehr. Jetzt müssen wir die Dinge zusammenbinden, und da bin ich sehr auf die konkreten Vorschläge der FDP gespannt.

Hat Ulla Schmidt alles falsch gemacht?

Menschlich konnte man mit ihr gut auskommen. Und ich finde es bemerkenswert, mit welcher Stringenz sie es über einen vergleichsweise langen Zeitraum geschafft hat, das Gesundheitswesen nach ihren Zielen zu verändern – leider aber in die falsche Richtung.

Was meinen Sie damit?

Ulla Schmidt war sehr erfolgreich in ihrem Bemühen, die Selbstverwaltung zu schwächen. Wir müssen das wieder zurückdrehen. Unser Ziel ist es, die Eigenverantwortung der im Gesundheitswesen Tätigen zu stärken – und darin sind wir uns mit der FDP auch einig.

Das Gespräch führte Rainer Woratschka.

Jens Spahn (29) ist gelernter Bankkaufmann und sitzt seit 2002 für die CDU im Bundestag. Dort gehört er zu den profilierten Jungpolitikern der Union und zu den Gesundheitsexperten.

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