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Interview: „Europa zeigt den Märkten die Zähne“

Herr Weber, in Brüssel wurden neue Wege zur Sicherung des Euro beschritten. Wie groß ist der Tabubruch des Krisengipfels?

Es geht nicht um einen Tabu-, sondern um den Durchbruch, der den Menschen und Märkten signalisiert, wir kriegen die Situation in Griechenland in den Griff. Ruhe und Stabilität auf den Finanzmärkten – das ist das Ergebnis vom Gipfel.

Es gibt eine Bewegung in kleinen Schritten hin zu einer Transferunion, Eurobonds und Schuldenschnitt. Alles Sachen, die vor wenigen Tagen noch undenkbar waren.

Die Maßnahmen der vergangenen Monate haben offensichtlich nicht ausgereicht, um unsere gemeinsame Währung zu stabilisieren. Andererseits ist auch klar, dass eine radikale Umschuldung Griechenlands zu viele Risiken birgt. Es gab also weder diese Option noch die Option weiter so. Der Mittelweg, den die Euro-Länder jetzt gehen, ist richtig. Im Zentrum steht, dass Angela Merkel durchgesetzt hat, private Gläubiger zu beteiligen. Die Prinzipien der Marktwirtschaft gelten wieder: Wer hohe Renditen hat, muss auch einen Teil des Risikos tragen. Europa zeigt den Märkten mit diesen Beschlüssen die Zähne und macht ihnen deutlich, dass sie die Spielregeln nicht alleine bestimmen. Ein starker Tag für Europa.

Griechenland in die Zahlungsunfähigkeit zu schicken – wenn auch nur für kurze Zeit –, ist ein starker Tag für Europa?

Das ist ein minimiertes Risiko und genau der beschriebene Mittelweg. Wenn man im Vorfeld gesehen hat, wie die Ratingagenturen schon die Diskussion um eine Bankenabgabe, also die normale finanzielle Beteiligung von Marktteilnehmern, als Zahlungsausfall titulieren wollten und als Angriff auf die Banken kritisiert haben, dann steht hinter dieser ganzen Debatte auch die Frage, ob die Politik, die Demokratien in Europa noch die Kraft haben, die Spielregeln auf den internationalen Märkten durchzusetzen. Der Gipfel hat gezeigt: Wir haben sie.

Von der FDP kommt Kritik an den Beschlüssen. Bekommt die Union ihren Koalitionspartner noch ins Boot?

Es sind sicher schwierige Entscheidungen zu fällen. Jetzt muss man diskutieren und Argumente wirken lassen. Es gibt Probleme in Griechenland und anderswo, die müssen gelöst werden. Wer kritisiert, muss auch konstruktiv sein. Bisher habe ich keine Vorschläge gehört, die funktionieren könnten und in Europa mehrheitsfähig sind. Ich hoffe, dass wir uns darüber einig sind, dass der harte Schuldenschnitt nicht im deutschen Interesse liegt und nicht gangbar ist.

Die Gipfel-Beschlüsse sind alternativlos?

Ich glaube, dass sie ein wichtiger und guter Schritt sind, um unsere Währungsunion und damit auch Europa zu verteidigen. Alternativen gibt es natürlich immer, aber diese Beschlüsse sind gut und richtig.

Was kommt auf den deutschen Steuerzahler zu?

Wenn Griechenland auf die Füße kommt, wird das Land in der Lage sein, die Schulden zurückzuzahlen. Wenn die Operation funktioniert, ist es für den deutschen Steuerzahler ein großer Gewinn, kein Verlust.

Glauben Sie als EU-Parlamentarier, dass das EU-Parlament bei der Lösung der Krise ausreichend beteiligt ist?

Wir sind mit der langfristigen Sicherung unseres Währungsraumes sicherlich noch nicht am Ende. Die Stärkung des Stabilitätspakts, die jetzt im Gesetzgebungsverfahren ist, will das Europäische Parlament mit einem präventiven Arm versehen. Wenn Staaten bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik aus dem Ruder laufen, soll Europa frühzeitig eingreifen und Sanktionen verhängen können. Die nationalen Regierungen sind bisher nicht bereit, der europäischen Ebene, an der sie ja beteiligt sind, diese Kompetenzen zu geben. Wenn das aber nicht passiert, haben manche ihre Lektionen aus der gegenwärtigen Krise noch nicht verstanden. Europa braucht mehr Kompetenzen, um die Spielregeln im Maastrichter Vertrag, den die Staaten freiwillig unterschrieben haben, durchsetzen zu können.

Das heißt: Die nationalen Parlamente sollen noch mehr Befugnisse abgeben?

Nein, denn die Mitgliedstaaten haben schon einen Teil ihrer Kompetenzen mit dem Beitritt zum Euro abgegeben. Die Frage bleibt: Wer setzt die Bestimmungen zur Staatsverschuldung durch? Bisher haben die Staaten sich gegenseitig kontrolliert. Wir haben erlebt, dass das nicht funktioniert und Europa an den Rand des Abgrunds geführt hat. Wir brauchen jetzt einen Automatismus, der die bereits getroffenen Vereinbarungen überprüft und Verstöße dagegen sanktioniert.

Manfred Weber (CSU) ist stellvertretender Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament. Mit ihm sprach Lutz Haverkamp.

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