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© dpa

Interview: „Unsere Arzneimittelpreise liegen im europäischen Mittelfeld“

Branchenvertreterin Cornelia Yzer sieht die Ursache für steigende Kosten vor allem darin, dass die Ärzte mehr Medikamente verschreiben. Ein Interview mit der früheren Staatssekretärin.

Die Kassen drohen mit Zusatzbeiträgen - und sofort kommen Rufe nach einem Arzneisparpaket. Finden Sie das ungerecht?



Ich halte es nicht für gerechtfertigt. In Wirklichkeit entwickeln sich die Arzneimittelausgaben sehr moderat. In der ambulanten Versorgung, bei Kliniken oder bei den Hilfsmitteln sind die Kosten weit stärker gestiegen. Natürlich sehen wir, dass es Effizienzsteigerungen braucht. Daran müssen sich aber alle beteiligen. Es ist jedenfalls keine Lösung, auf alte Regulierungs- und Kostendämpfungsmaßnahmen zurückgreifen zu wollen, wie dies jetzt die SPD tut. In der alten Regierung war das für sie kein Thema. Kaum ist man in der Opposition, fordert man es.

Die höheren Ausgaben für Ärzte oder Kliniken waren einer Reform geschuldet. Die Arzneimittel aber treiben die Kosten seit Jahren nach oben. Unter Steigerungsraten von fünf Prozent tut sich kaum noch etwas…

Der Kostenanteil durch innovative Medikamente ist seit Jahren stabil, er beträgt 35 bis 37 Prozent an den Gesamt-Arzneiausgaben. Innovationen sind also nicht der Kostentreiber. Tatsache ist, dass die Arzneiausgaben wachsen. Das liegt aber nicht vorrangig an den Preisen. In den ersten drei Quartalen gab es eine Umsatzsteigerung von 4,1 Prozent. Die ist in erster Linie auf mehr Verordnungen zurückzuführen, vor allem bei den großen Volkskrankheiten. Und die höheren Arzneiausgaben der Kassen sind auch darauf zurückzuführen, dass die Zuzahlungen gesunken sind und die Kassen dadurch Ausfälle hatten.

Trotzdem sind Arzneimittel in Deutschland übermäßig teuer. Warum?

Ich kann das nicht bestätigen. Mit unseren Arzneimittelpreisen liegen wir im europäischen Mittelfeld.

In den Niederlanden oder der Schweiz kostet oft das gleiche Medikament 40 Prozent weniger…

Bei den 200 meistverordneten Wirkstoffen liegen wir auf gleicher Höhe mit den skandinavischen Ländern – und weit unter Belgien oder Irland. Das hat erst jüngst eine Studie des norwegischen Gesundheitsministeriums ergeben. Man muss auch berücksichtigen, dass es beim Apothekenverkaufspreis in Deutschland höhere Margen gibt – insbesondere durch die Mehrwertsteuer: In fast allen anderen Ländern ist der Satz auf Medikamente ermäßigt, in Schweden und Irland ist Arznei ganz steuerfrei. Nur in Deutschland wird der volle Satz draufgeschlagen.

Kritiker sagen, die Hersteller nutzen die Möglichkeit der freien Preisfestsetzung in Deutschland, um das Preisniveau auch für andere Länder künstlich hochzuhalten.

Richtig ist, dass der deutsche Preis als Referenzpreis für viele andere Länder gilt. Das liegt daran, dass wir nach wie vor ein starker Pharmastandort sind, einen hohen Exportanteil haben und jeder darauf schaut, wie das Produkt im Heimatmarkt positioniert ist. Aber von diesem hohen Exportanteil, der im Schnitt bei 57 Prozent liegt, profitieren wir auch volkswirtschaftlich. Die forschenden Arzneimittelhersteller haben sich in der Krise als Stabilitätsanker erwiesen. Wir sind stolz darauf, dass unsere Exporte nicht so eingebrochen sind wie die anderer Branchen.

Das heißt im Klartext, wir können uns hierzulande niedrige Arzneipreise mit Blick auf die Exportabhängigkeit gar nicht leisten?

Unsere Preise liegen im europäischen Mittelfeld, und das ist in Ordnung so. Wir sind ja auch von unserer Leistungskraft, vom Bruttoinlandsprodukt her einer der führenden Staaten in Europa. Wenn wir künftig das Innovationsgeschehen mit einem Ordnungsrahmen versehen wollen, sollte das ein wettbewerblicher sein.

Wie könnte eine Kostenbegrenzung über mehr Wettbewerb denn aussehen?

Der Koalitionsvertrag nennt einiges: Deregulierung, Beförderung des Vertragsgeschehens, Kosten-Nutzen-Bewertung nach internationalem Standard…

Ein gutes Stichwort. Was halten Sie denn von der Überlegung, dass neue und teurere Arzneimittel nur noch erstattet werden, wenn sie nachweislich auch mehr Nutzen bringen?

Grob ist das ja schon geplant. Wenn die Kosten-Nutzen-Relation nicht stimmt, könnte ein Erstattungshöchstbetrag festgelegt werden. Und alternativ könnten die Hersteller mit dem Krankenkassen-Spitzenverband Preise vereinbaren. Das ist immer noch ein sehr zentralistischer Weg, zu dem wir uns aber bekennen.

Einmalzahlungen oder prozentuale Preisabschläge lehnen Sie ab?

Bei Nachahmerpräparaten, den sogenannten Generika, wurde mit Rabattverträgen bewiesen, dass es noch Effizienzreserven gibt. Bei innovativen Produkten muss neben dem Preis aber auch Versorgungsqualität Berücksichtigung finden. Wir reden ja im Gesundheitssystem viel zu viel über Kosten und zu wenig über Qualität. Das Ziel muss hohe Versorgungsqualität zum angemessenen Preis sein.

Cornelia Yzer (48) ist Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller. Zuvor war sie Parlamentarische Staatssekretärin im Frauen- und im Bildungsministerium. Das Gespräch führte Rainer Woratschka.

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