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Irak: Allawi will religiösen Zwist beenden

"Der Irak gehört weder einer Person noch einer Partei, er gehört allen Irakern." Diesen Satz, der auch aus einer Wahlkampfrede stammen könnte, hat Iyad Allawi am Samstag nochmals unterstrichen. Er steht als Leitmotiv auch über seinen Bemühungen, eine Regierung zu bilden.

Der Wahlsieger betonte, seine Liste sei für eine Zusammenarbeit mit allen Blöcken offen, angefangen bei der Koalition des Rechtsstaates des bisherigen Regierungschefs Nouri al Maliki. Er versprach, schnell eine Regierung zu bilden und benannte mit dem bisherigen stellvertretenden Premier Rifaa al Issawi bereits einen Verhandlungsführer. Nach vorläufigen Endergebnissen hat Allawis IraqiyaListe 91 Sitze im 325-köpfigen Parlament gewonnen, gegenüber 89 von Malikis Koalition.

Entschiedenheit und Stärke, das sind zwei von Allawis Eigenschaften, die dem alten Politfuchs zu einem Comeback verholfen haben. Aber vor allem war seine Iraqiya-Liste für Wählerinnen und Wähler attraktiv, die vom religiösen Zwist im Zweistromland genug haben. Der 65-jährige ausgebildete Arzt hatte im Wahlkampf versprochen, alle Iraker ungeachtet von Religion und ethnischer Zugehörigkeit einzubeziehen, gegen Extremisten jeder Couleur vorzugehen und den Wiederaufbau voranzutreiben. Über 60 politische Gruppierungen und prominente Einzelpersonen hatten sich unter dem Dach dieses säkularen Bündnisses mit seinem nationalen Projekt zusammengefunden.

Dass diese Strategie erfolgreich war, belegen die Details der Wahlergebnisse. Allawi konnte in allen Regionen Sitze erringen. Ihm gelang es etwa auch, im schiitischen Süden zwölf Mandate zu erkämpfen, während im Gegenzug auf Maliki in den sunnitischen Gegenden nur zwei Sitze entfielen. Schon beim Urnengang 2005 trat der säkulare Schiit Allawi mit einem überkonfessionellen Bündnis an. Der Erfolg war aber nur mäßig. Damals wurde streng nach religiöser Zugehörigkeit gewählt. Viele Beobachter sprachen schon vom Ende seiner politischen Karriere. Nach Jahren der Gewalt und des Bürgerkriegs war die Zeit für seine politischen Visionen offensichtlich reif.

Dieser Trend hatte sich bereits bei den Lokalwahlen im Januar 2009 abgezeichnet. Allerdings war es damals Maliki, der mit dieser Strategie Erfolg hatte. Er versuchte sich als starker, nationaler Führer zu profilieren, der über allen religiösen Gemeinschaften und Ethnien steht, und fuhr einen überraschend deutlichen Wahlsieg ein. Weshalb er jetzt kurz vor den Wahlen eine Wende um 180 Grad vollzogen hatte, bleibt sein Geheimnis. Mit dem Ausschluss von Hunderten von Kandidaten, die dem alten Baath-Regime nahegestanden haben sollen, hat er wieder die religiöse Karte gezogen und alte Gräben neu aufgerissen.

Maliki hat mit diesem Bann gegen die sunnitischen Kandidaten seinen härtesten Widersacher nicht schwächen können. Er war im Gegenteil die beste Gratiswerbung für Allawi und hat die Sunniten in Scharen dazu bewogen, Iraqiya zu wählen. Dieser Zickzackkurs, der auch bei anderen Fragen zu beobachten ist, hat Maliki den Wahlsieg gekostet. Allawi ist es auch zu verdanken, dass die Sunniten jetzt repräsentativ vertreten sind; eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des politischen Prozesses.

Für seine Vorstellungen hat Allawi nun ein Mandat von den Wählern. Ob er sein Ziel, einen Bürgerstaat aufzubauen und den von Maliki eingerichteten Staat aus religiösen Gemeinschaften zu zerschlagen, Koalitionspartner findet, wird sich zeigen müssen. Als Erstes gilt es ohnehin juristische Hürden zu überwinden: Maliki fordert eine Nachzählung. Der oberste Gerichtshof ließ wissen, auch Koalitionen, die sich nach dem Wahltag gebildet hätten, könnten als „stärkster Block“ betrachtet werden, der das Mandat zur Regierungsbildung erhält. Und schließlich sind Rechtsexperten auf den Plan getreten, die behaupten, Allawi könne gar nicht Premier werden, weil seine Mutter Libanesin und nicht Irakerin gewesen sei.

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