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Iran: Eine Kernfrage für Stabilität

US-Präsident Barack Obama hat eine Wende in der amerikanischen Iran-Politik eingeleitet. Gespräche auf Augenhöhe statt Drohungen, lautet seine Devise.

Berlin - US-Präsident Barack Obama hat eine Wende in der amerikanischen Iranpolitik eingeleitet. Gespräche auf Augenhöhe statt Drohungen, lautet seine Devise. Da der Westen aber die iranische Präsidentschaftswahl im Juni abwartet, sind den Gesten bisher wenig konkrete Schritte gefolgt. Doch die Möglichkeiten einer neuen Politik werden in Teheran und im Westen derzeit ausgelotet.

Einig sind sich deutsche Außenpolitiker, dass die Verengung westlicher Iranpolitik auf die Nuklearfrage ein Fehler war. Dies sei ein „sehr enges Konzept gewesen, das erweitert werden muss“, sagt der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Gert Weisskirchen, dem Tagesspiegel. Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, schränkt ein, dass der Nuklearstreit die Beziehungen „überschatte“ und warnt vor „zu großen Hoffnungen“ auf eine neue Kooperation in anderen Feldern. Kerstin Müller, außenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, konstatiert, dass die bisherige Politik, Teheran zu isolieren, solange der Iran im Atomstreit nicht einlenkt, „keinen Erfolg gehabt hat“. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes unterstreicht, dass die internationale Politik gegenüber dem Iran bereits jetzt auf mehr Aspekte als das Nukleardossier ausgerichtet sei.

Stärker auseinander gehen die Ansichten darüber, ob der Iran in Afghanistan und Irak bisher bereits eine stabilisierende Rolle gespielt hat, an die eine neue Kooperation anknüpfen könnte. In Afghanistan werden die gemeinsamen Interessen größer eingeschätzt als im Irak. In Afghanistan habe der Iran die Nordallianz gegen die Taliban unterstützt und teile das Anliegen des Westens, deren Rückkehr an die Macht zu verhindern, sagt von Klaeden. Insbesondere auf dem Gebiet der Drogenbekämpfung und der Flüchtlingspolitik sehen deutsche Politiker Kooperationsmöglichkeiten. „Hier leistet der Iran konkrete Beiträge zur Stabilisierung“, erkennt Müller an. Auch das Auswärtige Amt nennt diese beiden Beispiele für eine stabilisierende Rolle Irans. Mitte März fand die erste gemeinsame Operation Irans, Pakistans und Afghanistans gegen Drogenhändler statt, eine vom UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung unterstützte Aktion. Der Iran hat selbst Millionen Drogenabhängige und etwa 80 Prozent der afghanischen Drogen werden über den Iran ins Ausland gebracht. Gleichzeitig hat der Iran Millionen afghanische Flüchtlinge aufgenommen, die allerdings zunehmend zur Rückkehr gezwungen werden. Dies wirkt nach Ansicht Müllers „destabilisierend“, daher müssten hier „klare Erwartungen an Teheran“ gerichtet werden.

Die Politik des Iran im Irak wird als widersprüchlicher eingestuft. So habe Teheran die radikale Bewegung Muktadar al Sadrs unterstützt, die gegen die US-Truppen im Land kämpften, sich derzeit allerdings „ruhiger“ verhielten, sagt von Klaeden. Müller sieht in der Unterstützung allerdings auch eine Reaktion auf den starken Druck der Regierung Bush auf den Iran, dessen Politik sich „daraufhin besonders gegen die Präsenz der US-Truppen im Irak richtete“.

Der Iranexperte Johannes Reissner von der Stiftung Wissenschaft und Politik betont, dass oberste Interesse des Irans sei, Chaos in den Nachbarstaaten zu verhindern. Das habe Teheran nach dem Einmarsch westlicher Truppen in Afghanistan bewiesen, indem es den USA Informationen zur Bombardierung wichtiger Ziele weitergeleitet habe. Bei der Bonner Konferenz habe Teheran entscheidend auf die Regierung Karsai eingewirkt und so zur Einigung beigetragen. Diese Kooperation dankte Bush damit, dass er den Iran auf die „Achse des Bösen“ setzte. Das extreme Sicherheitsbedürfnis Irans werde im Westen unterschätzt. Reissner, der gerade aus Teheran zurückgekehrt ist, sieht dort eine Debatte über die Haltung zur neuen US-Politik: „Jetzt muss man sich entscheiden, das fällt nicht leicht.“ Auch frage der Iran sich nach Obamas Offerten, ob die Europäer „politisch wirklich wichtig sind“.

Müller fordert von den USA ein „klares Angebot direkter Gespräche auch auf hochrangiger politischer Ebene“, von Teheran Bewegung im Atomstreit und bei den Menschenrechten. „Eine Verbesserung der Beziehungen zum Nulltarif wird es nicht geben.“ Das Auswärtige Amt beharrt darauf, dass der Iran „alle Zweifel bezüglich seines Atomprogramms“ ausräumt. Die bisherige Forderung, der Iran müsse vor Gesprächen seine Urananreicherung aussetzen, wird nicht erwähnt.

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