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Iran: Gefangen in Teheran

Irans Regime will Geständnisse von Oppositionellen erzwingen. Milizen terrorisieren ganze Stadtviertel. Über 2000 Menschen hat das Regime nach Angaben der in Paris ansässigen Internationalen Föderation für Menschenrechte inzwischen festnehmen lassen.

Die Warnung kam aus Abteilung 209 des berüchtigten Evin-Gefängnisses in Teheran. Fakhri Mohtashamipour gab sie am Wochenende weiter an alle Bekannten, Freunde und politischen Weggefährten ihres Mannes Abdolah Ramezanzadeh. „Glaubt uns kein Wort, wenn wir im Fernsehen vorgeführt werden“, sollte sie allen draußen ausrichten. Ramezanzadeh ist der frühere Regierungssprecher von Präsident Mohammed Chatami, er war von 1997 bis 2001 Gouverneur der Provinz Kurdistan und arbeitete danach als Juraprofessor. Angeblich wollen die Schergen des Regimes von ihm und anderen Mitinsassen durch Folter öffentliche „Geständnisse“ erzwingen: Hochverrat, Konspiration gegen das nationale Interesse des Iran und Kollaboration mit ausländischen Regierungen. Erste verhaftete Demonstranten haben ihre stalinistischen Auftritte vor den Kameras bereits absolviert – bald sollen offenbar auch politische Gefangene folgen. „Wir standen ganz unter dem Einfluss von Voice of America und BBC“, bekannte im iranischen Staatsfernsehen eine Frau in schwarzem Schador.

Was sich im Augenblick hinter den iranischen Gefängnismauern abspielt, lässt sich nur vermuten. Über 2000 Menschen hat das Regime nach Angaben der in Paris ansässigen Internationalen Föderation für Menschenrechte inzwischen festnehmen lassen – neben prominenten Reformern vor allem Journalisten, Professoren, Studenten und Demonstranten. Die Internationale Kampagne für Menschenrechte in Iran aus New York geht von ähnlichen Zahlen aus. Sie veröffentlichte eine erste detaillierte Liste mit 240 Namen, darunter 102 Reformpolitiker. Nach ihren Recherchen wurden bei dem Überfall der Basidsch-Milizen in der Nacht zum 14. Juni auf das Studentenwohnheim der Teheraner Universität mindestens zwei junge Leute in ihren Zimmern totgeschlagen, ein Weiterer liegt im Koma.

Wer von den jungen Leuten nach Tagen in Haft wieder zu Hause auftaucht, schweigt. Selbst die Familien erfahren meist nicht, was ihre jungen Angehörigen hinter Gittern erlebt haben. Der Hardliner Ajatollah Ahmad Chatami jedenfalls ließ bei seiner Freitagspredigt keinen Zweifel aufkommen, wie das Regime weiter vorgehen wird: Die Anführer der Unruhen müssten mit dem Tod, die anderen „mit aller Härte und ohne Gnade“ bestraft werden, forderte er. Wie so etwas aussieht, das belegen immer mehr grausame Einzelheiten, die von Aktionen der Basidsch-Milizen bekannt werden. Sie sind so regimetreu wie brutal, und ihre berüchtigten Motorradkrieger sind mit Pistolen bewaffnet. Augenzeugen behaupten, die Schläger seien teilweise erst 15 oder 16 Jahre alt und gingen vor allem auf Frauen besonders brutal los. Nach Angaben von Amnesty International verschleppen die Milizen sogar verletzte Teilnehmer von Protestkundgebungen aus Krankenhäusern und terrorisieren die Menschen bei nächtlichen Razzien. „Augenzeugen erzählen uns, dass die Basidsch ganze Straßenzüge und Viertel sowie einzelne Wohnungen verwüsten, um die nächtlichen Protestrufe von den Hausdächern zu beenden“, sagte Sarah Leah Whitson von Human Rights Watch. Wie eine Bewohnerin aus dem Velenjak-Viertel im Norden Teherans auf der Website der Organisation berichtete, traten die Basidsch auf der Jagd nach Menschen, die „Allah ist groß“ riefen, Haustüren ein und kletterten über Mauern in die Vorgärten. Wen sie zu fassen bekamen, der wurde verprügelt, bis herbeigeeilte Nachbarn versuchten, die Eindringlinge mit Geschrei und Steinwürfen von ihren Opfern abzulenken. „Daraufhin griffen die Basidsch auch deren Häuser an.“

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