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© dpa

Iran: Programm zur Spaltung

Der Iran könnte nach einem neuen Bericht der internationalen Atomenergiebehörde IAEO bereits an einer Atomwaffe arbeiten. Wie kommt die Behörde zu dieser Erkenntnis und was sind die Konsequenzen?

Der Iran treibt sein Atomprogramm immer weiter in Richtung einer militärischen Nutzung. Seitdem die internationale Atomenergiebehörde (IAEO) ihren letzten Kontrollbericht vorlegte, befürchten Regierungen und Experten weltweit Schlimmes. Erstmals warnen die IAEO- Spezialisten konkret vor der Möglichkeit einer nuklearen Bewaffnung des Iran; die Atompolizei kontrolliert im Iran und sammelt dort Informationen. Der Bericht liegt dieser Zeitung vor.

Die US-Regierung droht dem Mullah- Regime jetzt mit „Konsequenzen“, die deutsche Bundesregierung fordert, den Weg „weiterer umfassender Sanktionen gegen das Regime in Teheran zu gehen“, und Frankreich „entschlossenes Handeln“. Und auch das Außenministerium Russlands verlangt Klarheit über die möglichen Pläne Teherans, als Atomwaffenmacht aufzutrumpfen: „Der Iran muss diesen Verdacht entkräften.“

Doch Nahostexperten wie Toby Dodge vom Internationalen Institut für Strategische Studien in London prognostizieren, dass der Iran nicht mehr zu stoppen sei. „Wir bewegen uns auf einen Iran mit der technischen Möglichkeit zur Produktion von funktionsfähigen Atomwaffen oder sogar einem Arsenal von Atomwaffen zu“, sagte Dodge dem Tagesspiegel. Nach den Analysen des Nahostexperten kann selbst eine Militärintervention die Iraner nicht von ihrem Abenteuer abhalten. Gewalt würde das Atomprojekt nur temporär zurückwerfen – und die Bevölkerung und das Regime zusammenschweißen. Für neue Sanktionen sieht Dodge keine Chancen im UN-Sicherheitsrat. „Zwischen China und den USA herrschen Spannungen, Peking wird sich bei neuen Sanktionen querlegen“, sagt Dodge. Selbst wenn die Vetomacht China doch Ja sagen würde, garantierten neue Strafen kein Ende des Atomprojekts im Iran.

Im Gegenteil: „Sanktionen sind auch kontraproduktiv, sie radikalisieren die Elite des Iran weiter“, erklärt Dodge. Das Land habe trotz der bisherigen drei Runden an UN-Sanktionen mit erheblichem Tempo sein Nuklearprojekt vorangetrieben. Ein Blick in den vertraulichen IAEO-Report bestätigt die Analyse: Die UN-Behörde schreibt, sie sei besorgt über eine mögliche „Entwicklung einer nuklearen Sprengladung für eine Rakete“ im Iran. Mit anderen Worten: Das Regime plant wahrscheinlich den Bau von Raketen, die mit Atomsprengköpfen bestückt sind. IAEO-Diplomaten sprechen von „erheblicher iranischer Anstrengung in der Trägertechnologie“. Weiter heißt es in dem Dossier der Atompolizei: „Die vermuteten Aktivitäten umfassen mehrere Projekte und Unterprojekte zu militärischen und Raketen-Aspekten, die von Organisationen nahe dem Militär geführt werden.“ In dem Bericht ist auch von Zündern die Rede. Zudem schaffen es Irans Ingenieure, Uran auf rund 20 Prozent anzureichern. Niedrig angereichertes Uran dient der friedlichen Nutzung der Kernkraft, mit hoch angereichertem Uran – rund 90 Prozent – könnte der Iran eine Atombombe bauen. „Die Iraner reichern jetzt auf rund 20 Prozent an, damit haben sie etwa drei Viertel der Strecke auf dem Weg zu einer 90-Prozent-Anreicherung zurückgelegt“, heißt es aus IAEO-Kreisen. Bei der Bearbeitung von Uran gilt die Faustregel: Beherrschen Nuklearexperten die Technik für eine niedrige Anreicherung, fällt ihnen eine höhere Anreicherung leichter. Fazit: Das vom UN-Sicherheitsrat angeordnete Verbot der Urananreicherung und anderer Elemente des Atomprojekts wird vom Iran kühl ignoriert.

Dass Teheran dem Bau von Nuklearwaffen immer näher kommt, belegen auch Untersuchungen des Instituts für Wissenschaft und Internationale Sicherheit in Washington. Dort heißt es über Natanz, eine iranische Atomanlage: „Natanz könnte derzeit genügend waffenfähiges Uran für eine Bombe in weniger als sechs Monaten produzieren.“

Angesichts der unbeirrten Fahrt der Iraner in Richtung Atommacht breitet sich bei der IAEO Ratlosigkeit aus. Der Rat der Gouverneure, das Lenkungsgremium der UN-Atomenergiebehörde, will Anfang März wieder über Teherans Ambitionen debattieren. Am Ende dürfte eine weitere verbale Verurteilung des Mullah- Regimes stehen.

Jan Dirk Herbermann

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