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Irland: Wie geht es nach dem Nein weiter?

Bei der irischen Volksabstimmung erteilten die Iren am Freitag dem EU-Vertrag von Lissabon eine klare Ablehnung. Damit steht die EU vor einer neuen Krise. Wie geht es jetzt weiter? Das sind die Optionen, die die EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel diskutieren können.

Der EU-Reformvertrag ist vorerst gescheitert. In Irland lehnte die Mehrheit in einer Volksabstimmung die Vorlage ab, wie die irische Regierung in Dublin am Abend bekannt gegeben hatte. Danach stimmten in dem Referendum vom Donnerstag 46,6 Prozent mit Ja, 53,4 Prozent votierten jedoch mit Nein. Irland war das einzige EU-Mitgliedsland, in dem in einer Volksabstimmung über den Vertrag von Lissabon abgestimmt wurde. Die irische Regierung ist an das Votum gebunden. Ohne die Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedsstaaten kann der Vertrag jetzt nicht in Kraft treten.

Nach dem Nein der Iren fürchtet der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker Verzögerungen bei der Reform der Europäischen Union. "Es ist klar, dass der Lissabon-Vertrag nicht zum 1. Januar 2009 in Kraft treten kann", sagte Juncker am Freitag in Luxemburg. Mit dem Inkrafttreten zur Jahreswende wollte die EU eine Beeinträchtigung der Europaparlaments-Wahlen im Juni kommenden Jahres vermeiden. Dafür ist eine Zustimmung aller 27 EU-Staaten nötig.

Gemeinsam nach einer Lösung suchen

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat alle 27 Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Die Länder hätten den Vertrag gemeinsam unterschrieben und hätten deshalb eine gemeinsame Verantwortung für dessen Verwirklichung, sagte Barroso. Die acht Staaten, die den Vertrag noch nicht ratifiziert hätten, sollten dies trotz der Ablehnung in Irland tun.

Die EU-Kommission hatte zuvor im Verbund mit Deutschland und Frankreich die Parole ausgegeben, nach dem Nein aus Irland sollten die 26 anderen EU-Staaten die Ratifizierung weiterführen. Über diesen Plan müssen am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel die europäischen Staats- und Regierungschefs beraten. In 18 EU-Ländern haben die Parlamente den Vertrag von Lissabon bereits ratifiziert. Darunter sind neben Deutschland auch Frankreich und Luxemburg.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Nicolas Sarkozy spachen sich in einer gemeinsamen Erklärung für eine weitere Ratifizierung aus. Deutschland und Frankreich nähmen "die demokratische Entscheidung" der irischen Bürger "mit dem gebotenen Respekt zur Kenntnis, obwohl wir sie sehr bedauern", erklärten die beiden Politiker. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte das Ergebnis einen "schweren Rückschlag".

Irland hält ein zweites Referendum ab:
Für eine zweite Volksabstimmung in Irland gibt es ein Vorbild: Als der Vertrag von Nizza 2001 am Nein der Iren scheiterte, legte ihn die Regierung 2002 noch einmal zur Abstimmung vor, mit Erfolg. Diese Option greift nur, wenn alle anderen 26 EU-Länder ratifizieren. Bisher haben dies 18 Länder über ihre Parlamente getan. In europaskeptischen Ländern wie Großbritannien oder Tschechien ist die Zustimmung noch offen.

Für Irland gelten Sonderregeln:
Frankreich und offenbar auch Deutschland setzen auf ein "juristisches Arrangement". Danach könnten für Irland in strittigen Bereichen Ausnahmeregeln zum Lissabon-Vertrag vereinbart werden. Mit Hilfe solcher "opt-outs" könnte der Vertrag in den 26 anderen EU-Staaten womöglich doch noch umgesetzt werden. Einen Austritt Irlands aus der EU, den manche bereits fordern, würde erst der Lissabon-Vertrag ermöglichen.

Ein neuer EU-Vertrag muss her:
Als unwahrscheinlich gilt ein dritter Anlauf für einen komplett neuen EU-Vertrag. Schon Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gelang es nur unter größten Mühen, den Lissabon-Vertrag unter deutschem EU-Vorsitz im Juni 2007 gegen Briten und Polen durchzusetzen.

Die EU lebt weiter mit dem Nizza-Vertrag:
Mangels neuer Grundlage müsste die EU zunächst mit dem Nizza-Vertrag weiterarbeiten, der seit 2003 in Kraft ist. Das Problem: Der Vertrag sieht überwiegend einstimmige Entscheidungen vor, was die Arbeit mit 27 EU-Staaten erschwert. Zudem ist der Einfluss des Europaparlaments begrenzt. Bei jeder neuen EU-Erweiterung - Kroatien könnte schon 2010 beitreten - müssen die Stimmrechte der EU-Staaten aufwändig neu ausgehandelt werden.

Europa der zwei Geschwindigkeiten:
Bereits die geltenden EU-Verträge sehen eine "verstärkte Zusammenarbeit" vor. Damit können einige Mitgliedstaaten die Integration auf eigene Faust vorantreiben. Dieses "Europa der zwei Geschwindigkeiten" ist umstritten. Beispiele sind der Euro, den unter anderem Dänen und Briten nicht haben, oder der Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen, dem Großbritannien und Irland nicht angehören.

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