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Politik: Islamische Angestellte dürfen Kopftuch tragen

Karlsruhe verbietet Kündigung einer türkischen Verkäuferin / Andere juristische Maßstäbe als im Fall einer muslimischen Lehrerin

Karlsruhe/Berlin. Unternehmen können ihren Angestellten nicht mit der Begründung kündigen, ein aus religiösen Gründen getragenes Kopftuch störe den Betrieb. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag entschieden, vier Wochen vor dem mit Spannung erwarteten Urteil um die islamische Lehrerin Fereshta Ludin, die auf Einstellung in den Schuldienst klagt. Das Gericht hat mit seinem Beschluss die Verfassungsbeschwerde von Kaufhausinhabern nicht zur Entscheidung angenommen, das sie keine Aussicht auf Erfolg habe. Es bestätigte damit ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom Oktober 2002. Das BAG habe die Grundrechtsposition einer angestellten türkischen Verkäuferin im Streit mit ihrem Arbeitgeber zutreffend gewürdigt.

Die Türkin war in der Parfümerieabteilung des Kaufhauses beschäftigt. Im Mai 1999 teilte sie ihren Vorgesetzten mit, sie wolle sich aufgrund geänderter religiöser Vorstellungen nicht mehr ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit zeigen. Ihr Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin. Das Verkaufspersonal sei, gerade in der exponierten Parfümerieabteilung, gehalten, sich dem Stil des Hauses entsprechend gepflegt und unauffällig zu kleiden. Das Kaufhaus – das einzige in der hessischen Kleinstadt Schlüchtern – pflege einen eher „ländlich-konservativen Kundenkreis“. Diese Argumentation hatte jetzt auch vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand. Zwar gebe es „abstrakt keine Maßstäbe, welches Maß der Einschränkung seiner Kündigungsfreiheit der Arbeitgeber letztlich hinnehmen muss“, hieß es wörtlich in dem Beschluss. Im vorliegenden Fall sei eine Kündigung „auf Verdacht“ jedoch unzulässig. Vielmehr sei es den Kaufhausbetreibern zuzumuten, mögliche Schäden etwa durch Ausbleiben von Kundschaft abzuwarten. Auch müsse die Frau nicht unbedingt in der Parfümerie arbeiten.

Parallel zu dem jetzt entschiedenen Fall arbeitete das Bundesverfassungsgericht am Urteil zum Fall Ludin. Es soll am 24. September bekannt gegeben werden. Die aus Afghanistan stammende Lehrerin will mit einer Verfassungsbeschwerde durchsetzen, ihre Fächer mit einem Kopftuch bekleidet zu unterrichten. Dies hatten ihr die baden-württembergischen Behörden und die Gerichte untersagt. Das Bundesverwaltungsgericht stützte seine Ablehnung in seinem Urteil vom Juli 2002 auf das staatliche Religions-Neutralitätsgebot, das Lehrer zur Zurückhaltung verpflichte.

Bei der Kündigung der Verkäuferin galten nun jedoch andere juristische Maßstäbe, hier stand die Berufsfreiheit der Betroffenen gegeneinander. Deshalb gilt der aktuelle Beschluss auch nicht als Vorentscheidung. Das Gericht hatte entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung festgestellt, dass Private – anders als der Staat – nicht an Grundrechte gebunden seien. Gleichwohl hätten sie sie als „verfassungsrechtliche Wertentscheidung“ zu achten. Diese Abwägung falle auch mit Rücksicht auf die Religionsfreiheit zugunsten der Türkin aus.

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