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Israel hat die Wohnung des Attentäters Abdelrahman Shaludi zerstören lassen. Der Palästinenser hatte im Oktober mit einem Auto zwei Menschen getötet.

© AFP

Update

Nahost-Konflikt: Israel lockert Waffenrecht zur Selbstverteidigung

Nach dem Anschlag auf eine Synagoge dürfen mehr Israelis auch privat Waffen tragen. Der Premier verschärft seine Rhetorik gegen die Palästinenser. Der UN-Sicherheitsrat ruft zur Kooperation auf. Und Israel beginnt mit Zerstörungen von Häusern der Attentäter.

Nach einer Serie palästinensischer Anschläge erleichtert Israel es seinen Bürgern, zum Schutz Waffen zu tragen. Polizeiminister Izchak Aharonovich billigte am Donnerstag Erleichterungen bei der Ausgabe von Waffenscheinen. Wachmännern solle drei Monate lang erlaubt werden, ihre Waffen mit nach Hause zu nehmen, berichtete die Nachrichtenseite "ynet". Außerdem werde man die Liste von Ortschaften ausweiten, deren Einwohner Waffen tragen dürfen. Veteranen von Elite-Einheiten der Armee und Offiziere sollte es ebenfalls erlaubt werden, sich zu bewaffnen. Am Dienstag hatten zwei Palästinenser bei einem Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem fünf Menschen getötet.

UN-Sicherheitsrat verurteilt Anschlag

Einen Tag nach dem blutigen Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem sind die politischen Reaktionen sehr geteilt. Der UN-Sicherheitsrat hat in einer einstimmig verabschiedeten Erklärung den schweren Anschlag in einer Synagoge in Jerusalem verurteilt. Das sei ein "verabscheuungswürdiger Terrorangriff", erklärte das Gremium am Mittwoch. Die 15 Mitglieder des Sicherheitsrats zeigten sich zudem besorgt angesichts der jüngsten Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern und riefen die Konfliktparteien zur Kooperation auf. Politische Anführer und Bürger müssten gemeinsam daran arbeiten, die "Spannungen zu verringern, Gewalt zurückzuweisen, sämtliche Provokationen zu vermeiden und einen friedlichen Weg zu suchen". Der Sicherheitsrat mahnte zudem, dass jegliche "Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus" im Einklang mit dem Völkerrecht stehen müssten.

Unterdessen sieht Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein Land in einem "Kampf um Jerusalem", die Nationalisten fordern sogar ein militärisches Eingreifen. "In diesem Kampf (um Jerusalem) müssen wir zusammenhalten. Das ist das Gebot des Tages", erklärte Netanjahu. Die beiden Attentäter hatte er zuvor als "Tiere in Menschengestalt" bezeichnet. Er kündigte die rasche Zerstörung der Häuser der beiden Angreifer an. Bereits in der Nacht zum Mittwoch demolierten israelische Sicherheitskräfte die Wohnung eines Palästinensers, der im Oktober mit seinem Auto an einer Straßenbahnhaltestelle in Jerusalem Wartende überfahren hatte.

Polizist erliegt seinen Verletzungen

Bei dem Angriff auf die Synagoge im vornehmlich von ultraorthodoxen Juden bewohnten Stadtteil Har Nof hatten zwei Palästinenser aus Ostjerusalem am Dienstagmorgen fünf Menschen getötet. Vier Rabbiner starben, ein Polizist erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Exakt 24 Stunden nach dem Blutbad in der Synagoge im religiösen Westjerusalemer Quartier Har Nof fanden sich dort mehr Betende als gewöhnlich zum Morgengebet ein. Vor dem Synagogen-Eingang kamen später die Oberhäupter der zahlreichen religiösen Gemeinschaften im Heiligen Land – Rabbiner, der Vorsitzende des Imam-Rats und der lateinische und der griechisch-orthodoxe Patriarch – zu Beileidsbezeugungen und Gesprächen zusammen, um die Lage zu beruhigen.

Nur noch kleiner Zusammenstöße

Jerusalems Oberbürgermeister Nir Barkat und andere Politiker riefen die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren und sich nicht in ihrem Alltagsleben stören zu lassen. Doch blieben die Geschäfte am Mittwoch fast leer. Auch die palästinensische Bevölkerung Ostjerusalems zog es vor, nach dem Terroranschlag zu Hause zu bleiben.

Nur an einem einzigen Ort kam es zu einem kleineren Zusammenstoß. Erstmals seit Jahren tauchten israelische Rechtsextreme weder am Tatort noch bei den nächtlichen Beerdigungen der vier ermordeten Rabbiner auf. Nur im Westjordanland gerieten 200 Palästinenser mit 50 jüdischen Siedler aneinander, bis sie von der Armee getrennt wurden.

Polizei erteilt militärisches Vorgehen Absage

Der ultranationalistische Wirtschaftsminister Naftali Bennett forderte militärisches Vorgehen gegen die arabischen Wohnviertel Ostjerusalems. Doch die Polizei wies diese Forderung entschieden zurück: Man werde allein mit den Unruhen fertig und gegen individuelle Terrorakte sei schließlich auch die Armee machtlos.

Angesichts der drastischen Reaktionen nationalistischer Politiker auf den Terroranschlag forderte der Leiter des sicherheitspolitischen Abteilung im israelischen Verteidigungsministerium, Reserve-General Amos Gilad, "die Verhältnismäßigkeit zu wahren". Es könne nicht von einer Intifada gesprochen werden. Auch die Unruhen im annektierten Ostjerusalem und im besetzten Westjordanland ließen sich nicht mit den beiden früheren Volksaufständen vergleichen. Es handele sich bisher nicht um organisierte Anschläge, sondern um Terrorakte Einzelner.

Zahlreiche Experten zeigten sich allerdings besorgt über die Mutation des Konfliktes in Israel von einer politisch-militärischen Konfrontation zu einem Religionskrieg. Eine ausgehandelte politische Lösung zu finden, sei unter diesen Umständen nicht möglich. Religiöse Fanatiker seien zu keinerlei Kompromissen bereit und beharrten auf einem rücksichtslosen Kampf gegen Andersgläubige. (mit dpa, AFP)

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