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Zehn türkische Aktivisten kamen 2010 ums Leben, als israelische Soldaten die "Mavi Marmara" enterten.

© dpa

Update

Israel und Türkei: Wieder auf Normalnull

Seit dem Eklat um die "Mavi Marmara" herrschte zwischen Israel und der Türkei politische Eiszeit. Nun haben beide Länder eine Art Versöhnungsabkommen ausgehandelt.

Es waren sechs Jahre des Missachtens, des Zorns und der scharfen Worte. Doch die politische Eiszeit zwischen Israel und der Türkei hat ein Ende. Zurück zur Normalität, lautet das Motto. Nach langen, zähen Verhandlungen haben sich am Sonntag hochrangige Vertreter beider Staaten in Rom getroffen – also gewissermaßen auf neutralem Boden –, und sich über letzte Details eines Versöhnungsabkommens verständigt.

Israels Premier Benjamin Netanjahu ist zeitlich passend gerade in Italiens Hauptstadt, um mit US-Außenminister John Kerry über den Nahostkonflikt zu reden. Netanjahu und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wollten israelischen Berichten zufolge an diesem Montag Details einer Einigung beider Länder verkünden.

Der diplomatische Schlussstrich unter den Streit zwischen beiden Staaten wurde in vielen Geheimverhandlungen seit Monaten vorbereitet. Denn der Deal soll sowohl den Interessen Israels als auch denen der Türkei gerecht werden. Die schwere Krise begann vor sechs Jahren. Am 31. Mai 2010 stürmten israelische Soldaten das türkische Schiff „Mavi Marmara“, das mit Hilfsgütern auf dem Weg zum Gazastreifen war – ohne Jerusalems Genehmigung und trotz mehrfacher Warnungen. Bei dem Einsatz kamen zehn türkische Aktivisten ums Leben. Daraufhin warf die Regierung in Ankara den israelischen Botschafter aus dem Land und reduzierte die Kontakte auf ein Minimum. Unter dem Druck der USA entschuldigte sich Israel später. Aus türkischer Sicht eine zentrale Voraussetzung für eine mögliche Rückkehr zur Normalität.

Israel zahlt eine Entschädigung

Mittlerweile sollen sich die Unterhändler auf verschiedene weitere Punkt geeinigt haben. So wird Israel 20 Millionen Dollar an die Hinterbliebenen der Todesopfer als Entschädigung zahlen. Eine andere Bedingung, die Ankara stellte, bereitete Netanjahus Regierung wesentlich größere Kopfschmerzen: die Lockerung der Blockade des Gazastreifens, in dem die israelfeindliche und islamistische Hamas herrscht. Ein Kompromiss soll nun der Türkei die Möglichkeit geben, im verarmten Küstenstreifen eine Klinik fertigzubauen und ein Kraftwerk zu errichten. Dafür notwendige Güter werden demnach über den israelischen Hafen Aschdod geliefert und nicht direkt nach Gaza.

Eine Provokation für Israel? Der türkische Präsident Erdogan (r.) trifft Hamas-Chef Maschaal in Istanbul.
Eine Provokation für Israel? Der türkische Präsident Erdogan (r.) trifft Hamas-Chef Maschaal in Istanbul.

© Kayhan Ozer/AFP

Dafür erwartet Jerusalem im Gegenzug, dass türkische Strafprozesse gegen die für das Entern der „Mavi Marmara“ verantwortlichen Militärs beendet werden. Außerdem wurde diskutiert, die Vertretung der Hamas in Istanbul zu schließen. Alternativ heißt es nun, die Vertretung könnte geöffnet bleiben, wenn die Hamas sich verpflichtet, von dort keine Aktivitäten und Anschläge gegen Israel zu planen. Womöglich hat Recep Tayyip Erdogan genau das am Freitag Chaled Maschaal zu erklären versucht. Der im Exil lebende Hamas-Chef war Gast des türkischen Präsidenten. In diesem Fall hat Israel aber den Affront offenbar geflissentlich ignoriert. Proteste sind bisher nicht bekannt geworden.

Ohnehin ist die Aussöhnung für die Regionalmacht Türkei wichtiger als für Israel. Ankara hat sich in den vergangenen Jahren mit vielen Ländern überworfen, gilt im Nahen Osten als isoliert. Israel als wiedergewonnener Verbündeter kommt da zupass. Jerusalem dagegen misst den Beziehungen nicht mehr die gleiche Bedeutung bei wie früher. Enttäuscht vom einstigen Partner Türkei hat man neue Mitstreiter gesucht und gefunden. Zum Beispiel haben die Verantwortlichen in Jerusalem die Allianz mit Griechenland gezielt ausgebaut.

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