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Politik: „Ist das schon rechts?“

Extremismus im Alltag – ein Planspiel.

Hamburg - Am Montag beginnt der Prozess gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Demnächst soll es zudem einen neuen Anlauf für ein Verbot der NPD geben. Beides Symbole für den Kampf gegen Rechtsextremismus. Doch was ist, wenn Menschen im Alltag mit völkisch-nationalistischen Gedanken konfrontiert werden, zum Beispiel in der eigenen Kirchengemeinde?

Beim Planspiel „Ist das schon rechts?“ können Besucher des diesjährigen Kirchentags herausfinden, wie sie reagieren würden, wenn sie Pfarrer oder Gemeindemitglied in der fiktiven Stadt Passimstedt wären. Dort hatte man ein Sommerfest auch für nichtkirchliche Gruppen zugänglich gemacht.

Viele Familien mit Kindern kommen, die Feier ist ein Erfolg. Einigen Kirchenmitgliedern fallen allerdings Aushänge mit Runenschrift auf. Es gibt Flugblätter mit germanischen Symbolen, die zu „Völkischen Deutschen Festen“ aufrufen. Eine Zeitung titelt später „Nazi-Fest in der Kirche?“, der Pfarrer gibt ein abwiegelndes Interview. Der Skandal ist da. In dieser Situation beruft der Kirchengemeinderat eine Gesprächsrunde mit dem Pfarrer und Gemeindemitgliedern ein – und die Kirchentagsbesucher schlüpfen in die ihnen zugelosten Rollen.

Da sind zum Beispiel die Beschwichtiger: Sie halten die Vorwürfe für übertrieben, wollen sich das „schöne Fest“ nicht kaputtreden lassen. Und es gibt die Alarmierten: Für sie ist klar, dass Nazis das Kirchenfest instrumentalisiert haben. Sie wollen klare Zeichen setzen, eine Strafanzeige gegen unbekannt formulieren. Schüler und Ergraute debattieren, die Emotionen gehen hoch. „Das ist kein Rechtsextremismus. Wir kennen die doch“, ruft der 15jährige Alexander Stukenbrock. „Ich fasse es nicht“, erwidert eine junge Frau. „Wer zum völkischen Fest aufruft, ist ein Nazi. Das dürfen wir doch nicht einfach so stehen lassen.“ Am Nachbartisch polemisiert ein Mann lautstark gegen die „Miesmacher“. Man solle da „nicht so ein riesiges Ding draus machen“. Ohne sachliche Argumente schafft er es, durch Ironie und Coolness die Gruppe für sich einzunehmen. Als Gemeindemitglieder fragen, was eigentlich gegen vorchristliche Symbole spreche, wächst die Unsicherheit. „Warum soll sich traditionelles deutsches Bewusstsein nicht mit Christentum vertragen?“, fragt eine Frau. Sei es nicht christlicher, alle zu umarmen, als Einzelne auszuschließen?

Die Beschlüsse der gespielten Kirchengemeinderäte fallen unterschiedlich aus. Die einen wagen nur eine Notiz im Gemeindeblatt, andere feiern ein „Toleranzfest“ oder stellen Strafanzeige.

Es höre sich zwar gut an, wenn Politiker fordern, man müsse sich „vor Ort“ mit „den Rechten“ auseinandersetzen, sagt Miriam Höppner von der Firma „Planpolitik“, die das Spiel für den Kirchentag organisiert hat. Doch wenn der Rechtsextremismus nicht in Springerstiefeln daherkomme, würden die Trennlinien verschwimmen. Claudia Keller

Claudia Keller

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