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Politik: Ist ja auch nicht einfach - Friedrich Merz übt noch

Die Stimme des Moderators wird von Mal zu Mal höher vor Begeisterung. "Gleich kommt Friedrich Merz!

Von Robert Birnbaum

Die Stimme des Moderators wird von Mal zu Mal höher vor Begeisterung. "Gleich kommt Friedrich Merz!", brüllt er immer wieder in sein Mikrofon, so dass die Passanten in der Hammer Fußgängerzone jedes Mal zusammenzucken. Bloß gut, dass er dann wirklich kommt, eingerahmt von den örtlichen CDU-Größen, die er alle um Haupteslänge überragt. Es ist Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen, ein sonniger Sonnabendvormittag. Die Vier-Mann-Jazzband bläst und zupft, der CDU-Ortsvorsitzende hält vom eigens aufgebauten Podium eine kurze Ansprache, dann ist der Stargast des Tages dran. Friedrich Merz legt die Hände mit gespreizten Fingern gegeneinander. "Sehr geehrter Herr Vorsitzender", sagt er, "meine Damen und Herren!"

Der junge Mann von 45 Jahren übt halt manchmal noch. Ist ja auch nicht einfach. Friedrich Merz, geboren in Brilon im Hochsauerland, also am Rand der belebten Welt, Jurist. Fünf Jahre Europäisches Parlament, 1994 Einzug in den Bundestag. Die CDU schickt den redegewandten Abgeordneten in den Finanzausschuss, nach dem Wahldesaster 1998 macht sie ihn zum Fraktionsvize. Dann geht alles ganz schnell, und der "Reservehoffnungsträger", wie ihn ein Fraktionskollege nennt, landet auf dem Chefsessel. Da hat vorher Wolfgang Schäuble gesessen, Alfred Dregger, Helmut Kohl.

Seither übt er. Merz, der Oppositionsführer - das klappt noch nicht so richtig. Ein bisschen sehr viel Fachseminar. Bilder aus dem Bundestag, auf "Tagesschau"-Kürze gerafft, zeigen einen breit lächelnden Kanzler und den spitzen Zeigefinger des Friedrich Merz, der immer und immer wieder in die Luft sticht. Merz, der Fraktionsführer - das klappt auch noch nicht so richtig. In der Fraktion erzählen viele bereitwillig die recht ansehnliche Latte von Geschichten, in denen der junge Mann nicht so gut wegkommt. Etwa die, wie Merz einmal mit den anderen Fraktionschefs eine Anzeigenkampagne verabredet hat, um jene deutschen Firmen bloßzustellen, die nicht in den Fonds für frühere Zwangsarbeiter einzahlen wollten. Und wie ihm dann die Fraktion die Gefolgschaft verweigerte: So etwas? Und auch noch zusammen mit der PDS? Nie!

Da hat er nicht auf den Tisch gehauen und versucht, seinen Willen durchzusetzen. Wobei jeder sofort einräumt, dass es die Fraktion vermutlich nicht sehr beeindrucken würde, einen Friedrich Merz auf den Tisch hauen zu sehen. Nur, sagen viele, er hätte die Probleme voraussehen müssen. Nicht so einfach auch das: Es gibt kein "System Merz"; keine Runde junger Abgeordneter, aus deren Mitte er kommt, keinen Kreis Älterer, die ihm systematisch die Stimmung in dieser Fraktion zutragen. Es liegt freilich auch an einer gewissen Unbekümmertheit des Friedrich Merz. "Er bedenkt bei dem, was er sagt, das Ende noch nicht genug", sagt ein alterfahrener Unionsmann. "Der stürmt wie ein junger Hund los und hebt überall sein Bein." So wie jetzt an der Schwesterpartei CSU, als er laut darüber nachdenkt, man könne den Unions-Kanzlerkandidaten für 2002 ja auch per Mitgliedervotum bestimmen. Was den CSU-Landesgruppenchef Michael Glos zu der bemerkenswerten 100-Tage-Bilanz veranlasst, Merz werde gewisslich "mit seiner Aufgabe weiter wachsen".

Ein anderer freilich, der ebenfalls nicht zu den Freunden des Sauerländers zählt (Freunde hat er sowieso wenige), mag den Stab nicht brechen: "Jahrelang haben wir uns beschwert, dass die Fraktion nur ein Abnick-Verein ist. Jetzt wird kontrovers diskutiert - und schon schreien alle: Der Vorsitzende ist schwach." Ein anderer hat nachgelesen, wie es vor drei Jahrzehnten war mit einem anderen Jungstar der CDU: "Gemessen an Helmut Kohls Pannen läuft das alles fast geräuschlos", sagt der Abgeordnete.

Damals indes waren die Zeiten andere, langsamere. Viele in der CDU / CSU billigen dem 45-Jährigen zu, dass er sich reinarbeiten muss. "Das mag eine Anfangsphase sein", sagt einer beschwichtigend. Aber lange darf die nicht mehr dauern. "Eine Unionsfraktion ist immer ein Sauhaufen", sagt einer so drastisch wie zutreffend. Manchmal müssen sie sich suhlen dürfen. Aber manchmal brauchen sie die Peitsche.

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