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Italien: Berlusconi sucht die Entscheidung

Italiens Premier Berlusconi möchte mit einer Vertrauensfrage Misstrauensvoten zuvorkommen. Damit räumt der bisher ungewohnt defensive 74-Jährige erstmals ein, dass die Regierung tatsächlich in der Krise steckt.

Was immer beim G-20-Gipfel in Seoul passiert ist – Silvio Berlusconi kehrt mit einem „zum Kampf gerüsteten Geist“ zurück. So jedenfalls teilt es Staatssekretär Gianni Letta mit. Italiens angeschlagener Regierungschef dreht also den Spieß herum. Den beiden Misstrauensvoten der linken Opposition und der abtrünnigen Parteigenossen um Gianfranco Fini will Berlusconi jetzt im Parlament mit einer eigenen Vertrauensfrage zuvorkommen.

Damit räumt der bisher ungewohnt defensive 74-Jährige erstmals ein, dass die Regierung tatsächlich in der Krise steckt. Und er macht den Auftakt für die unvermeidlichen taktischen Spielchen, für den „Krieg der Anträge“ im Parlament. Was wird nun zuerst abgestimmt und wann? Alle Seiten sind auf der Suche nach Bündnispartnern. Die Demokratische Partei als größte Oppositionskraft hat bereits voller Entrüstung mitgeteilt, dass sie Berlusconis Ankündigung der Vertrauensfrage für verfassungswidrig hält. Schließlich habe sie ihr eigenes Misstrauensvotum bereits im Abgeordnetenhaus eingebracht; dieses müsse zuerst behandelt werden, alles andere beschädige die Volksvertretung.

Der Fahrplan für die Regierungskrise steht. Sie beginnt diesen Montag damit, dass der von Berlusconi vor die Tür gesetzte Parteirebell Gianfranco Fini seine letzten vier Getreuen aus der Mitte- rechts-Regierung abzieht: Europaminister Andrea Ronchi, den Vizeminister im Industrieressort sowie zwei Staatssekretäre. Weitere und wichtigere Regierungsmitglieder Finis sind zu Berlusconi übergelaufen, nachdem Fini seine rechtskonservative Partei „Alleanza Nazionale“ vor eineinhalb Jahren in Berlusconis „Forza Italia“ aufgehen ließ. Zu den nicht mehr Rückholbaren zählt auch Verteidigungsminister Ignazio La Russa.

Danach macht die Regierungskrise bis mindestens Mitte Dezember Pause. Es wird zwar eine Menge verbaler Scharmützel geben. Aber das Parlament muss so lange weiterarbeiten, bis der Staatshaushalt für 2011 beschlossen ist. So hat es Staatspräsident Giorgio Napolitano angeordnet, und sowohl Berlusconi als auch seine Gegner wollen sich daran halten. Damit gewinnen die Streitenden auch Zeit, ihre Bataillone zu zählen, gegebenenfalls neu aufzustellen, sowie Bündnisse und Strategien auszuhandeln.

Fest steht: Berlusconi will weiterregieren, nach einem verlorenen Misstrauensvotum eventuell mit einem neuen Auftrag durch den Staatspräsidenten. Geht das schief, strebt er Neuwahlen im Frühjahr an. Die reguläre Legislaturperiode endet 2013. Gianfranco Fini wiederum will, dass Berlusconi abtritt und einer neuen, breiter angelegten Mitte-rechts-Regierung Platz macht. Für vorgezogene Neuwahlen fühlen sich Fini und seine erst wenige Wochen alte „Partei für Zukunft und Freiheit Italiens“ noch nicht gerüstet. Die spannendste Frage ist derzeit, ob Finis Leute bei der Vertrauensfrage formell „Ja“ zu Berlusconi sagen, um ihn weiterhin ärgern und Neuwahlen möglichst weit hinausschieben zu können. Oder ob sie es bis Mitte Dezember schaffen, auf dem Verhandlungsweg eine alternative Lösung ohne Neuwahlen zu finden. Erst dann werden sie wohl aktiv den parlamentarischen Sturz Berlusconis betreiben.

Die linke Opposition will Berlusconi möglichst bald stürzen. Gleichzeitig will sie aber Neuwahlen hinauszögern, bis Berlusconis in ihren Augen „skandalöses“ Wahlgesetz durch ein „demokratisches“ ersetzt ist. Das solle eine „technische Übergangsregierung“ bewerkstelligen.

Ganz Italien ist jetzt gespannt, ob das Ende von Berlusconi wirklich kommt. Oder ob er sich noch einmal retten kann.

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