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Italien: Soldaten im Zentrum

Berlusconi verstärkt mit Militär die Polizei in italienischen Großstädten – die Bürgermeister sind skeptisch.

„Nur keine Soldaten-Patrouillen im historischen Stadtzentrum! Wir wollen den Touristen Sicherheit bieten, aber nicht den Eindruck erzeugen, als sei Rom militarisiert.“ Gianni Alemanno, der Bürgermeister von Rom, wehrt sich gegen die italienische Regierung. Diese aber gibt zurück. „Ihr habt uns doch gerufen!“ Das sagt Ignazio La Russa, der Verteidigungsminister, und drängt auf „Sichtbarkeit“ jener 1052 Soldaten, die von Montag an die römische Polizei verstärken sollen.

Ein Streit wie dieser wäre nicht weiter verwunderlich, stünde die Stadt Rom unter einer linken und der Staat Italien unter einer rechten Regierung, wie das lange Jahre der Fall war. Heute aber gehören beide zum selben Lager, Alemanno und La Russa sogar zur selben rechten Partei, zur Alleanza Nazionale. Gemeinsam haben sie mit Silvio Berlusconi und dem Thema Sicherheit im Frühjahr ihre Wahlkämpfe gewonnen. Jetzt, da es ernst wird, steht kommunale Pragmatik gegen koalitionäre Ideologie.

Das Land sei in Gefahr, hatten sie alle erklärt, bedroht von illegal eingereisten, kriminellen Ausländern, belagert von Roma. Flugs schnürte die Regierung ein „Sicherheitspaket“, das vor allem den Kampf gegen die Roma und deren Ausweisung zum Ziel hatte – eine heikle Sache, da die meisten Roma aus Rumänien stammen, damit EU-Bürger und keine „illegalen Einwanderer“ mehr sind.

Wie weit der Furor geht, zeigt eine Bemerkung von Innenminister Roberto Maroni. Verschiedene europäische Stellen, zuletzt der Europarat, haben Italiens Regierung für die „diskriminierende, menschenrechtswidrige“ Behandlung der Roma gerüffelt – nicht zuletzt deswegen, weil Maroni allen Kindern der „nomadi“ Fingerabdrücke abnehmen lässt. Der Innenminister sagte daraufhin: „Dann nehmen wir sie eben auch allen Italienern ab, in zwei Jahren.“

Zwar gibt inzwischen auch Bürgermeister Alemanno zu, dass in Wahrheit die Zahl der Verbrechen in Rom gesunken ist, und Minister La Russa sagt: „Wenn auch die Kriminalität in absoluten Zahlen nicht gewachsen ist, so hat doch im Land der Eindruck einer veränderten, einer verwilderten Gewalt zugenommen.“ Die fünf verschiedenen Polizeien Italiens, gibt La Russa dennoch zu, „hätten es auch allein geschafft. Aber wir wollten nicht warten. Die Erwartung der Bürger, ohne Angst leben zu können, ist legitim“.

Die Umfragen geben der Regierung recht. Die Italiener erklären mehrheitlich, sie hätten Angst, zwar noch mehr vor Arbeitslosigkeit als vor Kriminalität, aber die Tagesordnung der Regierung ist eben, wie sie ist. Und so rücken am Montag 3000 italienische Soldaten in die eigenen Städte aus. In einer Blitzumfrage des unabhängigen Fernsehsenders Sky applaudierten 82 Prozent der Zuschauer.

Das Parlament hingegen wurde nicht gefragt. Berlusconi nützt propagandistisch die Möglichkeiten des italienischen Rechts: Er ruft in unaufhörlicher Folge für dies und jenes den Notstand aus und regiert dann fürs Erste per Dekret. Die Opposition kritisiert, eine „Militarisierung der Städte“ verbreite keineswegs eine „Sicherheitsstimmung“. Eine Präsenz von Soldaten schüre vielmehr die Angst noch weiter. Andere kritisieren, die Sache sei lediglich Show und Fassade. In Padua zum Beispiel rechnet der zwar linke, aber wegen seiner Ordnungspolitik als „Sheriff“ bezeichnete Bürgermeister Flavio Zanonato vor: Wenn die Hälfte der Soldaten, wie geplant, auf die drei Städte Rom, Mailand und Neapel aufgeteilt werde, wenn danach noch fünf andere „bedürftige“ Städte bedient würden, dann blieben für Padua ganze hundert übrig, pro Schicht praktisch zwanzig. „Eine Propagandamaßnahme also, mehr nicht.“ 400 000 Polizisten gebe es in Italien: „3000 Soldaten obendrauf – können sie die Verhältnisse ändern?“

Dann überlegt Zanonato, genauso wie die Polizeigewerkschaften, dass die mit so großem Geräusch bewerkstelligte Mobilisierung der Soldaten in Wahrheit wohl nur von den tiefen finanziellen Einschnitten ablenken solle, die Berlusconis Regierung bei den Ordnungskräften plane: Einige tausend Polizisten, Carabinieri und Angehörige der Finanzwache – die Gewerkschaften sprechen von 40 000 – sollen in den nächsten drei Jahren eingespart werden; schon jetzt sind aus Geldmangel selbst die regulären Instandhaltungsmaßnahmen an Polizeiwachen und -kasernen eingestellt; im Herbst, warnen Insider, werde die Polizei kein Geld mehr haben, die Tanks der Dienstfahrzeuge zu füllen.

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