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Politik: Jahr der Enttäuschung

Anfang 2005 hofften die Ägypter auf Demokratie – aber Reformen blieben aus

Die Hoffnung auf Reformen von oben in Ägypten ist zerstoben. Vor einem Jahr hatte Präsident Hosni Mubarak diese zarten Hoffnungen entfacht, als er mehrere Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen zuließ. Auch der relativ freie Wahlkampf im September 2005 hatte viele Ägypter positiv überrascht. Doch seit den Parlamentswahlen im November, die ab dem zweiten Wahlgang von Gewalt und Wahlfälschungen überschattet waren, setzt das Regime wieder auf bewährte Techniken: Unterdrückung und Rechtsbeugung. „Das Spiel ist aus. Die Regierung schießt der Reform eine Kugel ins Herz“ titelte die unabhängige Tageszeitung „Saut al-Umma“ zum Jahrestag der Reformankündigungen Mubaraks. Man darf gespannt sein, ob und in welcher Form die enttäuschten ägyptischen Hoffnungen beim Berlin-Besuch Mubaraks zur Sprache kommen, der ab dem 10. März geplant ist.

Das Regime in Kairo verschob vor zwei Wochen die bis Mitte April anstehenden Kommunalwahlen um zwei Jahre – wohl um ein ähnlich gutes Abschneiden der islamistischen Muslimbrüder wie bei den Parlamentswahlen zu verhindern. Kurz danach wurde ein Journalist zu einem Jahr Gefängnis wegen Beleidigung verurteilt – er hatte einem Minister Korruption vorgeworfen. Dabei hatte Präsident Mubarak öffentlich versprochen, das Pressegesetz zu ändern, um Haftstrafen für Meinungsdelikte abzuschaffen. Und zuletzt hob ein staatliches Gremium die Immunität von vier Richtern auf, damit sie vom Staatsicherheitshof verhört werden können: Sie hatten Richterkollegen Beihilfe zur Fälschung der Parlamentswahlen vorgeworfen und eine Untersuchung gefordert. Die Richter sollen verhört und möglicherweise strafrechtlich verfolgt werden. Noch vor den November-Wahlen hatte Mubarak angekündigt, das von den Richtern seit Jahren geforderte Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Unabhängigkeit der Judikative sichern soll. Damit hatte er auf die Drohung der Richtervereinigung reagiert, die Wahlen nicht zu überwachen.

Die Verschiebung der Kommunalwahlen hat eine besondere Bedeutung auch für die nächsten Präsidentschaftswahlen 2011. Nach der Verfassungsänderung vom vergangenen Jahr können nur unabhängige Kandidaten antreten, die mindestens die Unterstützung von 250 Parlamentsabgeordneten oder gewählten Kommunalvertretern haben. Nach dem guten Abschneiden der Muslimbrüder bei den Parlamentswahlen war damit gerechnet worden, dass die Islamisten auch auf kommunaler Ebene absahnen würden. Sie hatten 88 der 444 Parlamentssitze errungen, obwohl sie auf Wunsch des Regimes nur etwa 120 Kandidaten aufstellten. „Die Gesetzesänderung zeigt nur, wie schwach das Regime ist“, meint der Abgeordnete Mostafa Bakri zornig.

Bereits im Dezember hatte die Verurteilung des Präsidentschaftskandidaten Ayman Nour zu fünf Jahren Gefängnis wegen angeblicher Unterschriftenfälschung alle demokratischen Hoffnungen enttäuscht. Denn während das Regime die Demonstrationen der Bürgerrechtsbewegung Kifaya nicht fürchtete, war ihr der populistische Politiker Nour offensichtlich ein Dorn im Auge. Er konnte mit 6,1 Prozent der Stimmen zwar nur auf einem abgeschlagenen zweiten Platz landen, aber er hat im Wahlkampf bisher ungehörte Kritik am Präsidenten und seiner Entourage geäußert. Das Urteil sprach derselbe Richter, der vor zwei Jahren den Soziologen und Bürgerrechtler Saed Eddin Ibrahim ebenfalls wegen angeblicher Dokumentenfälschung verurteilt hatte.

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