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Das Jahr beginnt, wie das alte endete. Mit Terror. Trauernde in Istanbul.

© Reuters

Jahresauftakt 2017: Es geht ohne Pause weiter

Nicht nur der Anschlag in Istanbul zeigt: Die Welt ist in Unordnung. So groß sind die Veränderungen, dass viele sich klein und überfordert fühlen. Dem gilt es entgegen zu wirken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Herzlich willkommen in 2017! Ein neues Jahr – ist das nicht auch eine Verheißung? Alles neu: neuer Anfang, neues Glück, und wir mittendrin. Mehr geht nicht, oder? Jeder sei seines Glückes Schmied, hinterließ der römische Geschichtsschreiber Sallust, und der war weise. Aber 2017 beginnt, wie das alte Jahr – gefühlt – endete: mit Bomben, mit Toten, mit Terror. Das, was wir doch eigentlich abschütteln wollten, bleibt einfach, setzt uns zu, als gäbe es kein Gestern. Von wegen alles neu: Es beginnt nur von Neuem.

Diese, ja doch, auch nahezu kindliche Hoffnung, im neuen Jahr werde sich wirklich etwas ändern – richtig ist sie aber schon auch. Im Grundsatz gewiss. Jetzt mal keine Bange vor denen, die jetzt sagen, das sei viel zu kurz gedacht. Das stimmt höchstens insoweit, als wir uns selbst natürlich zugleich sagen müssen: Alles um uns herum, die Gesellschaft, wird sich nur ändern, wenn wir etwas ändern: an der gesellschaftlichen Form des Zusammenlebens, uns selbst, gerade wie es Not tut.

Und Vieles tut Not. Der Anschlag in Istanbul zeigt auf grauenvolle Weise: Die Welt ist in Unordnung. Sie ist noch dazu in dem, was Staaten „Außenbeziehungen“ nennen, geradezu desaströs durcheinander. Der Blick heraus aus unserem Land zeigt es, auf Syrien, Libyen, den Irak, Afghanistan, die Ukraine… Die Beziehungen zueinander werden schwieriger, die zu den USA, zu Russland, auch zur Türkei, auf je unterschiedliche Weise, was die Komplexität der Anforderungen an verantwortungsvolles Regieren in diesem Jahr noch einmal erhöht.

In diesem Jahr, in dem sich noch dazu so viel ändert. Damit sind nun nicht in erster Linie Verwaltungsakte gemeint, sondern – Wahlen. Die drei Landtagswahlen, in Nordrhein-Westfalen, im Saarland, im Schleswig-Holstein, dazu die Wahl des neuen Bundespräsidenten und, am Ende, die alles überwölbende Bundestagswahl. Da geht es ganz allgemein bei denen, die Politik machen, und denen, für die Politik gemacht wird, also uns, um Verantwortung und um Selbstvergewisserung. Das ist Bürde und Chance in einem.

Langfristig angelegte Antworten

Was wollen wir? Und was sollen die tun, wie nach unserem Willen regieren? Ja, wünschenswert wären langfristig angelegte Antworten, eine Politik für Generationen, zuvor klug debattiert, begleitet von einer Neuentdeckung der Langsamkeit und ihrer Vorzüge. Die Zeiten sind nicht so. Sie werden vielleicht nie mehr so. Der Übergang zu 2017 zeigt: Es geht ohne Pause weiter.

Dieses Jahr ist so gesehen eine weitere Wegmarke entlang unseres Marathons der Veränderung, in dem auf ohnehin anspruchsvoller Strecke fortwährend das Tempo wechselt, zwischendurch auch noch Sprints angezogen werden, die mitmachen muss, wer nicht abgehängt werden will.

Die Veränderung erfasst so vieles so stark, so revolutionär, und zwar weit übers Digitale hinaus, aber mit ihm verbunden, dass ein Begriff der Politik von gestern plötzlich, zeitverzögert, passend wirkt: „Neuland“. Wir betreten Neuland, fast überall, und wissen die richtigen Antworten noch nicht. Was damit zusammenhängen kann, dass wir vorher daran gehen müssen, erst einmal die richtigen, die richtig wichtigen Fragen zu stellen.

So groß sind die Veränderungen, dass viele sich klein fühlen, niedergedrückt und überfordert. Da wächst ein Gefühl der institutionalisierten Überforderung – und dem gilt es entgegen zu wirken. Wie? Indem 2017, das Jahr mit den vielen Wahlen, als eines zum Mitmachen deklariert wird. Darin liegt unser aller Verantwortung. In den offiziellen Ansprachen war vom Wert des Engagements die Rede. Hierzu passt der jüngste Appell an unsere Zuversicht. Der Zuversicht, dass wir unseres Glückes Schmied sein können. Dass wir uns durch das Zukünftige nicht verschrecken lassen, sondern versuchen wollen, mit Geistesgegenwart über den Neujahrstag hinaus die Veränderungen anzustreben, die das neue Jahr zu einem guten machen.

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