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Politik: Jahrestag des Tienanmen-Massakers: Erfolg für die Propaganda: Wenige Chinesen erinnern sich

Ein paar Dutzend Zivilpolizisten, die Funkgeräte zur Tarnung in Zeitungen gewickelt, stehen gelangweilt unter dem Mao Tse-tung Porträt vor dem Kaiserpalast. Irgendwo hinter den Büschen neben dem Tiananmen, dem Platz des Himmlischen Friedens, warten einige Polizeibusse.

Ein paar Dutzend Zivilpolizisten, die Funkgeräte zur Tarnung in Zeitungen gewickelt, stehen gelangweilt unter dem Mao Tse-tung Porträt vor dem Kaiserpalast. Irgendwo hinter den Büschen neben dem Tiananmen, dem Platz des Himmlischen Friedens, warten einige Polizeibusse. Die Touristen sehen sie nicht. An der Beida - der Peking Universität - soll abends ein Techno-Rave stattfinden. Am Ufer des Houhai-Sees bereiten sich Familien auf ein Picknick vor. Es ist Sommer in der Stadt. Wer würde da an Politik denken?

Elf Jahre nach der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste von 1989, als Pekings Kommunisten Panzer gegen das eigene Volk schickte, ist der 4. Juni für viele Chinesen in Vergessenheit geraten. Nach Jahren der Propaganda und des Verschweigens scheint Chinas Regierung damit ihr Ziel erreicht zu haben. Die staatlich gelenkten Medien schreiben bis heute von einem "konterrevolutionären Aufstand". In Schulen und auf Universitäten ist das Thema noch immer ein Tabu.

Dabei war der "liu si" - wie die Chinesen das Massaker vom 4. Juni nennen, einer der wichtigsten Scheidepunkte dieses Landes: Nach Deng Xiaopings marktwirtschaftliche Reformen 1979 folgte ein Jahrzehnt der gesellschaftlichen Öffnung. Plötzlich gab es Kino, Mode, Fernsehen, private Restaurants. Statt stupider Parteipropaganda wurden in den Zeitungen wieder offen diskutiert, manche redeten von Demokratie und Freiheit. Als im Frühjahr 1989 schließlich Hunderttausende auf die Straße gingen, glaubten viele noch daran, das System von innen zu reformieren.

Seit dem Tiananmen-Massaker, bei dem Hunderte wenn nicht Tausende friedliche Demonstranten getötet wurden, ist dieser Glaube für die meisten verloren. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation amnesty international sitzen bis heute mindestens 213 Teilnehmer der Demonstrationen von 1989 im Gefängnis. Kritik am politischen System wird seitdem in China als Verbrechen verfolgt.

"Solange sich die KP-Führung weigert, die Verantwortlichen von damals zur Rechenschaft zu ziehen, kann es keinen Neuanfang geben", sagt die Pekinger Professorin Ding Zilin, deren Sohn 1989 getötet wurde. Zusammen mit anderen Angehörigen versucht sie vergeblich, die Ereignisse von damals an die Öffentlichkeit zu bringen. Ihre Gruppe ist verboten, ihr Haus wird von Geheimpolizisten bewacht. Spenden aus dem Ausland wurden von der chinesischen Regierung konfisziert. Dennoch kämpft Ding Zilin weiter gegen das Vergessen.

Harald Maass

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