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Politik: Jeder soll über Atomnutzung selbst entscheiden - Romano Prodis Schreiben im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Ministerpräsidentvielen Dank für Ihr Schreiben vom 9. Februar, mit dem Sie die Frage aufwerfen, ob der von der deutschen Bundesregierung beabsichtigte Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie mit den Verpflichtungen aus dem EG- und dem Euratom-Vertrag vereinbar ist und in dem Sie auf die möglichen klimaschädlichen Folgen eines derartigen Ausstiegs hinweisen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 9. Februar, mit dem Sie die Frage aufwerfen, ob der von der deutschen Bundesregierung beabsichtigte Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie mit den Verpflichtungen aus dem EG- und dem Euratom-Vertrag vereinbar ist und in dem Sie auf die möglichen klimaschädlichen Folgen eines derartigen Ausstiegs hinweisen.

Nach allgemeiner Auffassung überlässt der Euratom-Vertrag den Mitgliedstaaten die Wahl, über die Einführung bzw. Beibehaltung der Nutzung von Kernenergie zur Energieerzeugung zu befinden. Damit wird nicht in Frage gestellt, dass die Ziele des Euratom-Vertrages in ihrer Gesamtheit, einschließlich ihres "Förderungs"-Charakters, weiter Gültigkeit haben.

Was die Auswirkungen der deutschen Initiative für den Binnenmarkt anbelangt, möchte ich auf Kapitel 9 des Euratom-Vertrages hinweisen, in dem "der Gemeinsame Markt auf dem Kerngebiet" errichtet wird. Es müsste im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, inwieweit die Freiheit des Warenverkehrs durch ein eventuelles Transportverbot von Nuklearmaterial beeinträchtigt würde. Dieselben Überlegungen finden hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit ihre Anwendung.

Hinsichtlich des von Ihnen angesprochenen Umweltaspekts ist zu bemerken, dass sich die EU in der Tat im Rahmen des Kyoto-Prozesses zu einer bedeutenden Verringerung der Treibhausgasemissionen verpflichtet hat. Eine Schließung deutscher Kernkraftwerke würde verstärkte Anstrengungen in Bereichen wie erneuerbare Energien und Energieeffizienz erforderlich machen, um das Kyoto-Ziel von minus acht Prozent zu erreichen.

Im Zusammenhang mit dem möglichen deutschen Ausstieg aus der Kernenergie kann keinesfalls die Frage nach der Versorgungssicherheit im Energiebereich außer Acht gelassen werden. Dazu ist eine Mitteilung der Kommission in Vorbereitung, die noch im Laufe dieses Jahres von der Kommission verabschiedet werden soll.

Mit freundlichen Grüßen

Romano Prodi

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