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Nicht nur witzig: Michael Mittermeier und sein Komiker-Kollege Zarganar. Foto: dapd

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Politik: Jenseits der Witze

Birmas scharfzüngiger Komiker Zarganar kämpft in Berlin für politische Häftlinge in seiner Heimat.

Berlin - Witze sind seine Waffe, und er macht sie selbst dann noch, wenn er wegen seiner Kritik ins Gefängnis muss. Aber der Birmane Zarganar ist längst viel mehr als ein scharfzüngiger Komiker. Der Mann mit dem runden Glatzkopf, der unter der Junta elf Jahre hinter Gittern saß, mischt sich kräftig in die Politik ein. Und die Menschen hören ihm zu.

Dienstagabend erlebten die Berliner im voll besetzten Chamäleon Theater eine Kostprobe seiner Kunst und lernten nebenbei viel über Absurditäten und Widersprüchlichkeiten in Birma und darüber, wie nah Komödie und Tragödie beieinanderliegen. Zusammen mit dem Comedian Michael Mittermeier stand er auf der Bühne, provozierte einen Lacher nach dem anderen. Auch mit seinen Witzen über die gefährliche Arbeit an einem Film über ihn, für den Mittermeier 2010 nach Birma fuhr und sich „ein bisschen in die Hosen gemacht“ hat, als er von einem Moped aus Zarganars Gefängnis filmte. Auf dem Wachturm hätten stets zwei Wachen mit Gewehren gesessen, gab Zarganar zum Besten. „Aber sie haben immer geschlafen, weil sie Trunkenbolde waren.“ Außerdem hätten sie kein Geld für Munition gehabt – da so viele politische Gefangene freigelassen worden seien, hätten die Bestechungsgelder nicht mehr gereicht, witzelte er und legte den Finger damit gleich in mehrere Wunden des Regimes.

Doch Zarganar zeigte nicht nur vieldeutigen Humor. Er forderte auch deutlich die Freilassung aller politischen Häftlinge in Birma. „Solange nicht alle Kritiker freigelassen werden und offen sprechen können, sind wir nicht zufrieden.” Er selbst saß jahrelang in Einzelhaft, wurde gefoltert, dürfte nicht mehr auftreten. Auch jetzt müsse er fürchten, jederzeit für kritische Äußerungen inhaftiert zu werden, sagte Zarganar, der mit bürgerlichem Namen Maung Thura heißt.

Zarganar arbeitet eng mit Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zusammen. Er weiß, dass ihr eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Demokratie zukommt, stimmt aber keineswegs in allem mit ihr überein. So war er im Herbst 2010 dafür, an den Wahlen teilzunehmen und entwarf auch ein Logo für die Opposition, Suu Kyi war für den Boykott. Der vom Militär eingeleitete Reformprozess hänge ganz wesentlich von Suu Kyis Zusammenarbeit mit Präsident Thein Sein ab, betonte Zarganar. „Die beiden haben einen guten Kontakt, das ist entscheidend für die demokratischen Fortschritte.“ Unumkehrbar sei die Entwicklung nicht: „Noch ist die Lage fragil. Es kann immer Rückschläge geben.“ Allerdings gebe es eine Reihe Reformer in der Regierung, die es ernst meinten mit der Demokratisierung. Mit Blick auf die jüngsten ethnischen Unruhen zwischen Buddhisten und Muslimen setzt er auf eine Verhandlungslösung – das sei aber nicht nur Aufgabe der Regierung, sondern „von uns allen“. Zarganar mahnte zudem eine Erneuerung der Opposition an. „Wir brauchen eine neue Generation, denn auch Suu Kyi wird irgendwann nicht mehr da sein.“ Am Abend kam er noch einmal auf die politischen Gefangenen zurück. Nach mehreren Freilassungswellen fragen sich viele, wie viele noch einsitzen. „Ich kann euch die Liste geben. Nicht nur ein paar Namen.“ Er habe nach seiner Freilassung im Oktober mit Freunden die 42 Gefängnisse besucht und eine Liste mit 345 Namen erstellt. Präsident Thein Sein, der bisher nie von politischen Häftlingen habe sprechen wollen, habe er sie übermittelt und gesagt, er solle einfach „diese Liste“ freilassen. Der habe nun „frohe Neuigkeiten“ zu seiner Rückkehr angekündigt. Amnesty International, das sich für Zarganar eingesetzt hatte, sammelte auch im Chamäleon Unterschriften für Häftlinge in Birma, allerdings nicht für die 345. Sie müssten Zarganars Liste erst überprüfen, sagte deren Vertreterin. Sie müssten zum Beispiel sicherstellen, dass darauf keine Kinderschänder seien. Dazu fällt Zarganar sicher auch etwas ein.

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