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Politik: Jetzt wird jeder krankenversichert

Gesundheitsreform: Koalitionsspitze sieht Einigung / SPD gibt bei privaten Kassen nach

Berlin - Nach monatelangem Streit über die Gesundheitsreform haben sich Union und SPD auf letzte Korrekturen geeinigt. Nach Einschätzung der Parteispitzen handelt es sich um den endgültigen Durchbruch. Die Union setzte durch, dass die geplanten Änderungen bei der privaten Krankenversicherung schwächer ausfallen und später kommen. Im Gegenzug erreichten die Sozialdemokraten eine generelle Krankenversicherungspflicht.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) lobte die nächtliche Einigung. Versicherte und Kranke seien „eindeutig die Gewinner“, sagte sie. Sie profitierten von Verbesserungen bei Qualität, Effizienz und Transparenz. Und die Versicherungspflicht sei ein „sehr wichtiges Signal“. Damit werde verhindert, dass Menschen sich erst dann versicherten, wenn sie medizinische Behandlung brauchten. Generalsekretär Hubertus Heil sprach von einem Erfolg für die Menschen. „Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes gibt es auf Drängen der SPD eine Pflicht zur Krankenversicherung.“

Die Experten von SPD und Union, Elke Ferner und Wolfgang Zöller (CSU), sprachen von einem „tragfähigen Kompromiss“. Vorgesehen ist, dass der umstrittene Basistarif für Privatversicherte erst im Januar 2009 in Kraft tritt und bereits Versicherten nur für eine Frist von sechs Monaten geöffnet bleibt. Nichtversicherte können einen mit der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren Tarif ab Juli 2007 in Anspruch nehmen. Über 55- jährige und bedürftige Privatversicherte dürfen auch nach 2009 in den Basistarif, aber nur bei ihrer Versicherung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete die Einigung als gute Entwicklung. Sie sei „sehr optimistisch“, dass die Reform wie geplant zum 1. April im Gesetzblatt stehen werde. SPD-Chef Kurt Beck sagte, die Reform sei „jetzt wirklich politisch über die Bühne. Allerdings ist noch unklar, ob das ursprüngliche Sparziel von rund 1,4 Milliarden Euro noch erreicht wird. Über die Einsparungen bei Krankenhäusern und Rettungsdiensten müsse noch mit den Ländern gesprochen werden, sagte Schmidt. Diese reagierten am Freitag zurückhaltend. Nur Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz kündigten bereits ihre Zustimmung im Bundesrat an.

Beide Koalitionspartner beanspruchten jeweils für sich, ihre Reformziele durchgesetzt zu haben. SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach am Rande einer Klausursitzung in Brüssel vom „Einstieg in die Bürgerversicherung“. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, mit der Reform sei „der Einstieg in die Prämie der Union gelungen“. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte Zurückhaltung: Die Koalition solle den Kompromiss „gemeinsam vertreten und nicht parteipolitisch aufladen“. Die Opposition kritisierte die Einigung. Der Kompromiss sei „nicht akzeptabel“, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Für Privatkassen gebe es erneut Sonderregelungen. Die FDP sprach von einem „völlig unzureichenden Kompromiss“, die Linksfraktion von „Murks“ und einem Einknicken der SPD bei der Privatversicherung. Auch die SPD-Linke übte Kritik. Der Kompromiss sei dem Zwang zur Einigung geschuldet, sagte der Abgeordnete Karl Lauterbach. Es sei nicht gelungen, Privatversicherte stärker an der Finanzierung zu beteiligen, und es bleibe bei der Zweiklassenmedizin. Linken-Sprecherin Andrea Nahles gratulierte der PKV ironisch für „die beste Lobbyarbeit in Berlin“.

Mit der inzwischen dritten Einigung über strittige Reformdetails werden sich die SPD-Fraktion am Montag und die Unionsfraktion am Dienstag befassen. Der Bundestag entscheidet Anfang Februar, danach geht die Reform in den Bundesrat.

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